Seit 1.1.2008 ist es in Kraft, das neue Unterhaltsrecht. Gehen geschiedene Frauen jetzt leer aus?


Seit 1.1.2008 ist es in Kraft, das neue Unterhaltsrecht. Gehen geschiedene Frauen jetzt leer aus?

Seit Anfang des Jahres ist die Reform des Unterhaltsrechts in Kraft; was sich ändert und wie Betroffene reagieren sollten, danach fragten wir Rechtsanwalt Peter Brosche, Fachanwalt für Familienrecht.
Süd-Anzeiger: Dass jetzt unter Umständen Unterhalt nur noch Kinder bekommen und nicht mehr deren allein erziehender Elternteil verunsichert doch viele, vor allem die geschiedenen Frauen, denen ja meist das Sorgerecht zugesprochen ist. Ist deren Angst berechtigt?
RA Brosche: Das kann man so pauschal nicht sagen. Der Gesetzgeber hat lediglich festgelegt, dass der Unterhalt minderjähriger Kinder zukünftig Vorrang vor allen anderen Unterhaltsansprüchen hat. Wenn allerdings der Unterhaltspflichtige aufgrund seines geringen Einkommens nicht alle Ansprüche vollständig befriedigen kann, sind zunächst die minderjährigen Kinder finanziell zu versorgen. Bleibt dann kein Geld mehr übrig, geht der oder die Geschiedene leer aus.
Süd-Anzeiger: Dann wird wohl wieder vor Gericht neu verhandelt werden, wie viel die Kinder denn bekommen sollen und wie viel der geschiedene Ehepartner …
RA Brosche: Das ist möglich, jedoch wurde für minderjährige Kinder nunmehr ein Mindestunterhalt gesetzlich definiert. Der beträgt monatlich bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres 279,00 ¤, bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres 322,00 ¤ und für die Zeit vom 13. Lebensjahr an 365,00 ¤ vor Kindergeldverrechnung.
Süd-Anzeiger: Bei der Kindergeldverrechnung – hat sich da auch was verändert?
RA Brosche: Zukünftig wird das Kindergeld von den in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Bedarfsbeträgen stets zur Hälfte in Abzug gebracht. Die bisherige nur teilweise Verrechnung des Kindergeldes in den unteren Gehaltsgruppen entfällt daher. Der Unterhaltsschuldner kann damit einfacher berechnen, wie hoch sein monatlicher Zahlbetrag ist. Bei volljährigen Kindern wird der gesamte Kindergeldbetrag von dem Barbedarf abgezogen.
Süd-Anzeiger: Dem Vernehmen nach hat die Unterhaltsrechtsreform aber auch Auswirkungen auf den Ehegattenunterhalt; wie sieht es da genau aus?
RA Brosche: Der Grundsatz der Eigenverantwortung nach Ehescheidung wurde ausdrücklich im Gesetz verstärkt. Die Ehegatten sollen nach der Scheidung wieder finanziell unabhängig voneinander werden. Der kinderbetreuende Elternteil hat künftig Anspruch auf einen zeitlichen Basisunterhalt für eine Dauer von zunächst 3 Jahren nach der Geburt des Kindes. Dieser Unterhaltsanspruch kann verlängert werden, so weit und so lange dies der Billigkeit entspricht. Das Gesetz stellt hier vornehmlich auf kindbezogene Belange, wie etwa eine besondere Betreuungsbedürftigkeit, ab.
Süd-Anzeiger: Diese Verlängerung des Unterhaltsanspruchs ist ja wohl Ermessenssache; sehen Sie da ein gewisses „Streitpotenzial“?
RA Brosche: Davon ist auszugehen, denn durch die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Billigkeit“ besteht eine gewisse Rechtsunsicherheit, die erst durch die Rechtsprechung beseitigt werden kann. Hinzu kommt, dass Einzelfallentscheidungen durch die Gerichte getroffen werden, die nicht generell verallgemeinerungsfähig sind. Über das, was als „billig“ empfunden wird, läßt sich trefflich streiten.
Süd-Anzeiger: Und mit welchen Regelungen will der Gesetzgeber die angestrebte finanzielle Unabhängigkeit der Geschiedenen erreichen?
RA Brosche: Künftig gibt es mehr Möglichkeiten, den nachehelichen Unterhalt zu befristen oder der Höhe nach zu begrenzen. Dies beurteilt sich in erster Linie danach, ob und in welchem Umfang durch die Ehe Nachteile für einen Partner eingetreten sind, für seinen eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich aus der Gestaltung der Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe, Dauer der Ehe und der Dauer der Erziehung gemeinschaftlicher Kinder etc. ergeben. Der in der Ehe erreichte Lebensstandard ist nicht mehr das Hauptkriterium, sondern nur zusätzlicher Beurteilungsmaßstab.
Süd-Anzeiger: Da scheint der Gang zum Rechtsanwalt unvermeidlich, wie sinnvoll ist das aber, wenn der Unterhalt längst rechtskräftig geregelt ist?
RA Brosche: Bestehende Unterhaltstitel können nach Inkrafttreten der neuen Vorschriften grundsätzlich abgeändert werden. Voraussetzung ist eine wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung, die durch die neuen unterhaltsrechtlichen Normen gegeben sein wird, sowie die Entscheidung, ob die Änderung des Unterhaltstitels dem anderen Teil unter Berücksichtigung seines Vertrauens auf den Fortbestand der ursprünglichen Regelung zumutbar ist.
Süd-Anzeiger: Wir danken Ihnen namens unserer Leserinnen und Leser für diese Ausführungen.