„Ja Buaba, dös ka ma fei it so lossa!“: Kindheitsgeschichten aus der Nachkriegszeit in Stadtbergen (1945-1955) 21. Herr Hauptlehrer

„Ja Buaba, dös ka ma fei it so lossa!“: Kindheitsgeschichten aus der Nachkriegszeit in Stadtbergen (1945-1955) 21. Herr Hauptlehrer


Schulleiter unserer Schule war der Herr Hauptlehrer Stiegele, ein hochgewachsener, schlanker, junger Herr mit Brille, ca. 35 Jahre alt. Was ihm an Haupthaaren in der Mitte verloren gegangen war, wucherte umso kräftiger als Haarkranz. Herr Hauptlehrer war noch Junggeselle und wohnte bei seiner Mutter in der Richard-Wagner-Straße. Wir Kinder schauten uns im Lehrerkollegium um, welches Fräulein wohl zu ihm passen könnte. Stand dann die eine oder andere unserer Kandidatinnen in der Pause neben ihm, wurde unsere Phantasie rasch beflügelt. Egon meinte: „Hosch du g‘seha, wie er des neue Zweitklassfräulein a‘gschaut hot und g‘lacht hot er au mit ihr, i glob, da schieabt sie was!“ „A‘ nie, heut hat er doch scho dreimol in unser Zimmer neig‘schaut. I‘ glob, der verehrt unser Fräulein!“ warf Gerhard ein. „Dös glob i‘ net, i‘ hab‘ g‘hört, zu unserm Fräulein kommt demnächst der Schulrat zur Prüfung, da muaß er doch reischaua, ob alles in Ordnung isch!“ meinte ich. So streuten wir unsere Vermutungen in unserer Klasse und hielten die Gerüchteküche am Laufen..Nach der Schule begleiteten wir Herrn Hauptlehrer gerne auf dem Heimweg, der ja zum größten Teil auch unserer war. Wir boten uns an, ihm die Schultasche zu tragen im Glauben, das gäbe anderntags vielleicht Pluspunkte. Der Lehrer ließ uns in diesem Glauben und übergab einem von uns die Tasche.Dann stolzierte er erleichtert erhobenen Hauptes vor sich hinpfeifend den Oberen Stadtweg hinunter. Der Taschenträger hatte alle Mühe, mithalten zu können. Es kümmerte aber Herrn Hauptlehrer keineswegs, was sich da unten bei seinen Füßen abspielte. Er sah einfach über uns hinweg.Dieser Umstand brachte ihm aber nicht nur Glück:Immer wieder durfte unsere Klasse zum Sportunterricht mit unserm Herrn Hauptlehrer auf den Sportplatz bei der Osterfeldstraße. Zum krönenden Abschluss der Sportstunde wurde dann ein Fußballspiel unter den Augen unserer Mitschülerinnen angesetzt, in welchem der Herr Hauptlehrer mitbolzte. Führte er den Ball, jagten alle Gegner wie ein Bienenschwarm hinter ihm her und brachten ihn nicht nur einmal zu Fall, indem sich einige mutige Kämpfer vor seinen Füßen tummelten, die er aber, das Tor im Auge, nicht wahrnahm.Wütend klopfte er sich den Staub ab und beschimpfte uns als „Wuzelware“ und „Ameisen“, die es nicht zuließen, dass er sein großartiges fußballerisches Talent zur Entfaltung bringen konnte. Dann zog er sich aus dem Kampfgetümmel zurück und fungierte nur noch als Schiedsrichter. Das war auch besser für ihn. (Weitere Geschichten von Winfried Hierdeis in den nächsten Ausgaben des Stadtberger Boten)