von Prof. Dr. Hans Frei
Der 1. Mai ist ein markantes Datum im Jahreslauf der Bräuche mit verschiedenen Bedeutungen. In feierlichen Gottesdiensten und Maiandachten wird dieser Tag in der katholischen Kirche als Festtags Mariens. Dazu kommt seit 1955 das liturgische Fest für den heiligen Josef als Patron der Arbeiter. Sein traditioneller Gedenktag am 19. März erhielt eine wichtige Ergänzung mit der Einsetzung dieses Festes „Josef der Arbeiter“ durch Papst Pius XII, dem es darum ging, diesem „Tag den die Welt der Arbeit als eigenes Fest auserkoren hatte“, eine christliche Weihe und Sinngebung zu verleihen.
Die Gottesdienste und Vorträge der christlichen Arbeitnehmer standen in der Praxis in Konkurrenz zu den Feiern der Arbeiterverbände und Gewerkschaften, die den 1. Mai 1890 als „Kampftag der Arbeiterklassen“ ausgerufen haben. 1919 wurde der 1. Mai aus diesem Anlass zum gesetzlichen Feiertag erklärt. Mai-Feiern mit politischem Program finden seitdem auch auf dem Land in Kleinstädten, Märkten und Dörfern statt.
Das wohl wichtigste Symbol für den 1. Mai ist der mit Kränzen, Figuren und Bändern geschmückte Maibaum. Der Figurenmaibaum hat im Laufe des 19. Jahrhunderts eine weite Verbreitung gefunden mit der Entwicklung des Vereinswesens und der Heimatschutzbewegung. Ursprünglich holte man junge Birkenbäumchen, sog. Moiala, aus dem Wald und stellte sie mit bunten Bändern geschätzten oder geliebten Personen vor das Haus. Der gemeinsam aufgestellte und mit Symbolen gestaltete Maibaum ist ein weithin sichtbares Kennzeichen für die Zusammengehörigkeit einer Dorfgemeinschaft. Zur Tradition gehört auch ein Maibaumfest mit Musik, Gesang und Tanz.
In manchen Gegenden hat sich das Maibaumstehlen schon zum Brauch entwickelt, so dass der bereitliegende Baum Tag und Nacht bewacht wird. Für die Jugend im Dorf ist die Nacht auf den 1. Mai oft Anlass handfeste Streiche zu spielen. Gartentürchen, Geräte und manches, was nicht niet- und nagelfest ist, wird verschleppt und versteckt. Diese Freiheit in der Freinacht wurde den ledigen Burschen eingeräumt und hängt wohl mit der Legende von Hexen und bösen Geistern in der Walburgisnacht zusammen.