Etliche Mitglieder der BÜRGERAKTION PFERSEE haben als Delegierte sämtliche Termine der Planungswerkstatt „Go West“ wahrgenommen und wähnen sich seit der Stadtratsentscheidung zur Vorzugsvariante der Linie 5 im falschen Film. Ausgerechnet die Trasse Hessenbachstraße, die in der Bürgerbeteiligung als die Variante mit der geringsten Erschließungswirkung ausgewiesen wurde, und daher bereits beerdigt schien, wolle der Stadtrat wiederbelebt sehen – so die Bürgeraktion in einer Pressemeitteilung. Darin heißt es weiter:
Daher stellt sich uns die grundsätzliche Frage zur Aufgabenstellung für den öffentlichen Nahverkehr und wie der Augsburger Stadtrat diese definiert. Eine kundenorientierte Erschließung mit möglichst flächendeckendem Haltestellenangebot im fußläufigen Nahbereich potentieller Nutzer zählt wohl nicht dazu.
Zum Beleg verweisen wir auf die Beschlussvorlage, die keineswegs verschweigt, dass mit der Streichung der Haltestelle „Rosenaustraße“ das Rosenauviertel vom ÖPNV nahezu abgehängt wird. – Zum Nachweis einer Erschließungswirkung wird dort aber statt innenstadtüblicher Radien von 300 m auf 500-m-Fußwegentfernung ausgewichen zu den künftig einzigen Haltestellen „Luitpoldbrücke“ und „Hauptbahnhof“.
Und da wir das Projekt Mobilitätsdrehscheibe von Anfang an begleiten, erinnern wir uns an diverse Anforderungen an eine „Standardisierte Bewertung“. Soweit noch gilt, dass darin den Baukosten einer Trasse erwartbar höhere volkswirtschaftliche Erlöse gegenüber gestellt werden müssen, schlagen insbesondere Parallelerschließungen deutlich negativ zu Buche. Daher ist uns nicht erklärbar, wie eine Trassenführung über die Hessenbachstraße, die bereits von den Linien 3 und 35 mit 300-m-Radien zu den nächst verfügbaren Haltestellen komplett abgedeckt wird mit der Variante Holzbachstraße nur ansatzweise konkurrieren könnte. Während über die Hessenbachstraße vom Bahnhof bis zum früheren Supply-Center an der Bgm.-Ackermann-Straße kein positiver Beitrag zur Standardisierten Bewertung beigesteuert werden kann, würde die Variante Holzbachstraße neben dem Rosenauviertel auch das Fugger-Gymnasium und die Bäder an der Schwimmschulstraße, samt Plärrer und Eisstadion von Westen zusätzlich erschließen.
Das blieb anscheinend selbst den Stadtwerken nicht verborgen. Warum sonst wurde in der maßgeblichen Stadtratssitzung bereits von einem zusätzlich erforderlichen Angebot einer Buslinie und einem Ersatzbau für die „Goggelesbrücke“ gesprochen, um das Rosenauviertel doch noch irgendwie an den Nahverkehr anzubinden?
Während aber eine Kostenbeteiligung der Stadtwerke an einem Neubau der Wertachbrücke als Begründung für die Vorzugsvariante herhalten muss, scheinen die Aufwendungen für eine zusätzliche Busverbindung in der Standardisierten Bewertung verzichtbar. Bereits zum Taschenspielertrick gereicht da, wenn (wieder einmal) ein Ersatzbau für die „Goggelesbrücke“ in Aussicht gestellt wird, der Zubringer zur Haltestelle Hessenbachstraße zum Beleg fehlender Realisierungsabsicht aber gleichzeitig aus dem anstehenden Planfeststellungsverfahren ausgeklammert bleibt.
Wen wundert da noch die Farce der vorgeschalteten Bürgerbeteiligung? Die Planungswerkstatt „Go West“ war für alle Beteiligten keine vergnügungssteuerpflichtige Veranstaltung. Dennoch waren die Delegierten, trotz heterogenster Interessen, in der Lage sich auf zwei Vorgaben zu einigen:
- Der letztlich zur Vorzugsvariante erkorene Straßenzug muss zum Ausgleich von Durchgangsverkehr entlastet werden.
- Die Wertachaue darf nicht zusätzlich mit Infrastruktur überfrachtet werden. Die Tramtrasse muss daher weitest gehend im Bereich bestehender Fahrbahnen untergebracht werden.
Über beide Vorgaben flankt der Stadtrat mit seiner Entscheidung für die Hessenbachstraße rigoros hinweg. Und dabei ist ihm völlig einerlei, dass die Trasse mitten durch ausgewiesenes Landschaftsschutzgebiet pflügt, um zu vollenden, was mit der ungeschlachten Luitpoldbrücke an Flurschaden noch nicht zu erledigen war. Und dass die vermurkste Haltestelle Luitpoldbrücke noch nie den Status barrierefrei erreichte, dafür jetzt aber zusätzlich mit der Linie 5 bedient werden soll.
P.S. In der sog. Informationsveranstaltung der StAWA am 28.1. im Gehörlosenzentrum unterblieb, trotz mehrfacher Nachfrage, die Erläuterung einer gleichwertigen Erschließungsfunktion für die Hessenbachstraße. Die wiederholte Behauptung, dass die Haltestelle Luitpoldbrücke barrierefrei sei, mussten die StAWA-Vertreter zähneknirschend zurückziehen und das Gegenteil eingestehen.