Von der Raubritterburg zur Burgruine

Die Historie des Pferseer Schlössles, von Friedrich-W. Kirsch

An der Stadtberger Straße – postalische Anschrift Stadtberger Straße 19/21 – steht ein dreigeschossiger, mächtiger Bau, an dessen Ecken vier spitze Türmchen das Bild abrunden. Weit über den Stadtteil hinaus bei Jung und Alt bekannt als das Pferseer Schlössle.
Wir befinden uns hier am Rande des Zentrums des mittelalterlichen Dorfes Pfersee. Das Schloss in seiner heutigen Form wurde im 17. Jahrhundert von Adolf Zobel, dem Mitglied einer angesehenen und alteingesessenen Patrizierfamilie, erbaut. Doch die Geschichte des Hauses reicht noch weiter zurück.
Vermutlich an gleicher Stelle wurde bereits im 12. Jahrhundert eine Burg erbaut, die den „milites de Pfersee“, einem Raubrittergeschlecht, als Stützpunkt für ihre Feld- und Raubzüge diente. Bekanntester Vertreter ist Hermann von Pfersee, ein über die Grenzen des bäuerlichen Dorfes hinaus gefürchteter Raubritter. Bereits 1285 hatte er seine Burg dem Bischof von Augsburg verkauft. Im Jahre 1309 wurde er in die Reichsacht erklärt und durch Graf Konrad von Kirchberg, einem kaiserlichen Landvogt in Augsburg, gefangen gesetzt. Nachdem er jedoch Buße getan hatte, konnte er noch friedlich seinen Lebensabend bis zu seinem Tode 1327 in Pfersee verbringen.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass häufig bei Besitzwechsel der Burg das Dorf gleich mit in fremde Hände überging. Neuer Eigentümer des Dorfes wurde 1330 der Augsburger Kaufmann Conrad Ohnsorg, der Pfersee von den Söhnen des gestorbenen Raubritters erwarb. Die Burg erhielt er gleichzeitig vom Augsburger Bischof als Pfand. Somit war Pfersee wieder fast völlig in einer Hand. Im Laufe der Jahrzehnte wurde dann mit Dorf und Burg ein lebhafter Handel betrieben. Die jeweiligen Besitzer sind heut noch in manchen Pfersee Straßennamen lebendig: Kobold, Rehm, Kazböck, um nur einige zu nennen.
Adolf Zobel (gest. 1689) wird als Bauherr des jetzigen Schlosses angesehen. Sicher waren auch viele Pferseer Bürger mit am Aufbau des prächtigen Baus beteiligt. Von 1682 bis zur Säkularisation gehörte dann das Schloss der St. Jakobspfründe, 1802 wechselte es in den Besitz der bayerischen Krone. Im Schlössle wurde nun der Sitz des Finanzamtes des Landgerichtsbezirkes Göggingen eingerichtet. Viele Bürger vermuteten damals sicher den Einzug einer neuen Raubrittergeneration. Diese Episode dauerte jedoch nur bis 1826 und der lebhafte Handel mit dem Schloss ging weiter. Letzter privater Besitzer war General Freiherr Sprunner von Mertz, sein Familienwappen ist heut noch über dem Eingang von der Stadtberger Straße aus zu sehen. Von 1882 bis zur Eingemeindung unseres Stadtteils 1911 war dann die Gemeinde Pfersee Eigentümer, die Schlössle ein Kranken- und Armenhaus errichtete.
Die Funktion eines Krankenhauses erfüllte das Schlössle bis 1963, zuletzt als Lungenkrankenhaus. Dies ist allen alteingesessenen Pferseern bekannt. Bekannt ist aber auch, dass mit Schließung seit nunmehr einen Vierteljahrhundert das Schlössle, einst ein Mittelpunkt Pferseer Geschichte, dem Verfall preisgegeben ist. Umfangreiche Diskussionen über die weitere Nutzung sind seither in Gang gekommen. Hier sei vor allem das Bestreben der Bürgeraktion Pferseer Schlössle genannt, die sich für eine Verwendung als Bürgerhaus einsetzte. Doch inzwischen scheinen die Würfel gefallen zu sein. Mit dem Verkauf an eine namhafte Bauträgergesellschaft durch den letzten Besitzer, die Stadt Augsburg, besteht Hoffnung, dass das Schloss bald renoviert und bewohnbar gemacht wird.
Somit dürfte auch der Geist des Raubritters Hermann von Pfersee, der aus Gram über den Verfall des Hauses nachts durch Pfersees Straßen irrt, zur Ruhe kommen. Würde der Raubritter noch leben, hätte er sicher Mittel und Wege gefunden, Geld für die Sanierung des Pferseer Schlössles zu beschaffen. Tröstlich ist nur, dass mit dem Verkauf nicht wie früher die Gemeinde Pfersee den Besitzer mitwechselt. Denn mit der Zugehörigkeit zur Stadt Augsburg sind wir doch ganz zufrieden, oder?