Stadtberger Geschichte – durchs „Bierglas“ betrachtet von Alfred Hausmann: Teil 11: Zu Besuch bei Grabenbräu

Stadtberger Geschichte – durchs „Bierglas“ betrachtet von Alfred Hausmann: Teil 11: Zu Besuch bei Grabenbräu


Bei unserem Gang durch die Stadtberger Biergeschichte sind wir mit dieser letzten Folge in der Gegenwart angekommen. Brauen in Stadtbergen: heutzutage Fehlanzeige! So denken Sie sicher. Denn Sie wissen: seit 1912 blieben die Braukessel im Bräuhaus für immer kalt. So weit, so (gar nicht) gut!
Nun hat sich – ziemlich genau hundert Jahre später – ein Hobbybrauer aus Stadtbergen, der nicht genannt werden will, gemeldet und mich eingeladen, ihm beim Brauen über die Schulter zu schauen. Da stehe ich natürlich gerne am Samstag schon um neun Uhr in der Frühe vor der Tür und steige mit ihm die steile Kellertreppe hinunter in sein Reich. „Das Haus ist auch schon hundert Jahre alt“, sagt mein Gastgeber und deutet auf den historischen Bauplan an der Wand.
m Keller angekommen verschlägt es mir die Sprache. Erwartet hatte ich einen Weckapparat, wie ihn Hobby-brauer meist zum Brauen verwenden. Doch was hier im Keller steht ist eine technisch ausgeklügelte Brauerei im Kleinen. „Wahnsinn!“ anders kann ich meinen Eindruck nicht in Worte fassen. „Links die Maisch- und Sudpfanne, rechts der Läuterbottich. Dazwischen die Pumpe zum Umleiten der Würze und da unten der Gasbrenner zum Erhitzen der Maische,“ erklärt mein Hobby-Braumeister, der allerdings auch eine Ausbildung zum Brauer hinter sich hat. Ich sehe, dass die Bodenplatte der Bierküche auf Rollen steht, also überall einsetzbar ist. Auf meine Frage, wer so eine Kleinbrauerei liefere, bekomme ich zur Antwort: „Alles selbst gebaut und selbst ausgeklügelt!“ Mein Respekt steigt ins Unermessliche. „Ein paar Tausend Euro stecken schon drin. Wieviel Arbeitsstunden, das kann ich nicht sagen. Aber eigentlich würde zum Brauen auch ein größerer Topf, ein massiver Rührlöffel und ein Sieb ausreichen. Mit diesen Utensilien wurde Jahrhunderte lang gebraut. Die Zutaten sind sowieso immer dieselben:
„Ist denn das harte Augsburger Wasser geeignet?“ habe ich meine Bedenken. „Es ist einwandfrei und braucht keine Behandlung,“ erfahre ich, während der Brauer es in den Kessel lässt und den Brenner anzündet. Als die Temperaturanzeige 35 ° meldet, schüttet er das geschrotete Malz hinzu. Ein Elektromotor setzt ein Rührwerk in Bewegung bis 65 ° erreicht sind. Das dauert etwa eine halbe Stunde. Nun muss die Maische etwa 45 Minuten ruhen. Danach wird weiter auf 72 ° erhitzt. Abermals muss die Maische, die eher an eine Linsensuppe als an Bier erinnert, 20 Minuten rasten. „Die Stärke des Malzes muss sich in Zucker umwandeln, denn der beschert uns später den Alkohol“, lerne ich. Eine Jodprobe zeigt uns, ob diese Metamorphose abgeschlossen ist. Das Jod färbt sich nicht. Es kann weiter gehen.
Die fertige Maische wird nach rechts in den Läuterbottich gepumpt. Dort werden über einem Siebboden ihre festen und die flüssigen Bestandteile getrennt. In einem Wecktopf hat der Brauer vorher Wasser auf 80 ° erhitzt, das er nun portionsweise als Nachguss über den Treber gießt. Dadurch gelangen alle im Treber noch vorhandenen Wertstoffe in die Würze und gehen nicht verloren. Die Würze, die er wieder in die Sudpfanne zurückgepumpt hat, bringt er nun zum Kochen, damit der Hopfen in Pelletform zugegeben werden kann. Er ist für den Geschmack und die Haltbarkeit des Bieres unentbehrlich. Bis jetzt schmeckt die Flüssigkeit malzig-süß. Der Duft hat sich mittlerweile im Haus und selbst im Garten verbreitet. Nach 90 Minuten (es ist mittlerweile 17.00 Uhr) ist das Würzekochen abgeschlossen. Mit einer selbst gebauten Kühlvorrichtung aus Kupferrohren wird der Sud rasch auf 5 ° herunter gekühlt, in einen großen Plastikbehälter abgefüllt und die Hefe zugesetzt.
Bei Kellertemperatur haben die fleißigen Hefezellen nun eine Woche Zeit unser Malz-Hopfengebräu in richtiges Bier zu verwandeln. Das tun sie unter erheblicher Schaumbildung an der Oberfläche. „In einem Kühlschrank bekommt das Jungbier noch eine Nachgärung von sechs bis acht Wochen angehängt, bevor auf Flaschen oder, falls ein größeres Fest ansteht, in ein Fass abgefüllt wird,“ erfahre ich. „Da treffen wir uns dann wieder und sehen, was wir heute gekonnt haben. Unser Doppelbock wird etwa 20 % Stammwürze und knapp 7 % Alkohol haben. Stammwürze ist der Anteil aller in der Würze vor der Vergärung enthaltenen Stoffe, also Malzzucker, Eiweiß, Mineralien, Vitamine, Aromastoffe und andere Kleinigkeiten. Der Rest ist Wasser“, erklärt mir mein Braumeister.
Ich habe heute gelernt: Brauen ist kein Hexenwerk, aber vieles muss man schon wissen und beachten. Es sind die Ergebnisse der Erfahrung der Brauer von Jahrhunderten. Dafür gibt es zahlreiche Bücher und auch Anleitungen im Internet. Die Rohstoffe kann man von den meisten Brauereien bekommen. Einen ganzen Tag muss man allerdings allein fürs Brauen und dann noch etwa sechs Wochen Geduld aufbringen, bevor man weiß, ob Hopfen und Malz verloren sind oder man stolz sein eigenes Gebräu verkosten kann. So wie unser Stadberger Brauer, dessen Bier unverkäuflich ist und ausschließlich an die Familie und Freunde weg geht. Auf dass noch 2013 dank „Grabenbräu“ auch für Stadbergen gilt:
 Hopfen und Malz, Gott erhalt‘s!
Am Ende meiner „Stadtberger Biergeschichte“ danke ich …
– Thomas Werthefrongel für unermüdliche Unterstützung,
– Herrn Heim von der Stadtverwaltung Stadtbergen für die Betreuung im Archiv,
– meinem Brauer für guten Einblick in sein Handwerk.
Abbildungen:
Bilder: Thomas Werthefrongel (1), Grabenbräu (2), Alfred Hausmann (6)