Kündigungen in Zeiten der Krise: Zurzeit lässt es sich leider nicht vermeiden, tägliche Horrormeldungen in den Medien zu lesen, die voll sind mit Entlassungen von Arbeitnehmern

Kündigungen in Zeiten der Krise: Zurzeit lässt es sich leider nicht vermeiden, tägliche Horrormeldungen in den Medien zu lesen, die voll sind mit Entlassungen von Arbeitnehmern

Augsburger Südanzeiger: Kann ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer denn so ohne weiteres
entlassen?

RA Gollmann: Ob ein Arbeitnehmer sich erfolgreich gegen eine Kündigung verwehren kann, hängt im Wesentlichen von der gesetzlichen Regelung ab.
Im Einzelnen bedeutet dies Folgendes: Grundsätzlich gibt es in Deutschland ein Kündigungsschutzgesetz. Dieses Kündigungsschutzgesetz geht davon aus, dass in jeglichem Betrieb, der mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, eine Kündigung nur aus den im Gesetz aufgeführten Kündigungsgründen ausgesprochen werden kann. Bei Betrieben, die bis zu zehn Arbeitnehmer regelmäßig beschäftigen, gibt es keinen allgemeinen Kündigungsschutz. Bei diesen Kleinbetrieben kann der Arbeitgeber regelmäßig selbst entscheiden, ob und wen er kündigen will. Er muss für die Kündigung keine Kündigungsgründe angeben. Die schriftliche Zustellung der Kündigung und Einhaltung der Kündigungsfrist reicht aus.
Augsburger Südanzeiger: Hat der Arbeitnehmer bei einer solchen Kündigung Anspruch auf die Zahlung einer Abfindung?
RA Gollmann: Einen grundsätzlichen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung sieht der Gesetzgeber im Regelfall nicht vor. Die Abfindung ist eine praktische Möglichkeit, wie die Rechtsunsicherheit bei einem Streit über die Wirksamkeit einer Kündigung beendet werden kann.
Sie müssen sich dies so vorstellen: Sobald ein Arbeitnehmer gekündigt wird, muss er zur Wahrung seiner Rechte innerhalb von drei Wochen ab Zugang der schriftlichen Kündigung Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht einreichen. Hierzu ist es empfehlenswert, einen Rechtsanwalt einzuschalten. Soweit eine Familienrechtsschutzversicherung vorhanden ist, sind die Kosten in der Regel durch die Rechtsschutzversicherung abgedeckt. Mit Erhebung dieser Kündigungsschutzklage wird dem Arbeitgeber quasi die zukünftige Arbeitsleistung angeboten.
Verliert der Arbeitgeber den Kündigungsschutzprozess, muss er für den gesamten Zeitraum bis zu dem Urteil den gesamten Lohn nachentrichten. Es ist dabei völlig unerheblich, ob der Arbeitnehmer gearbeitet hat oder nicht. Lediglich Ansprüche, die ein Arbeitnehmer während dieser Zeit anderweitig erworben hat, muss er sich anrechnen lassen. Anschließend müsste der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dann zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Dies alles bedeutet für beide Beteiligten, dass eine sehr hohe Rechtsunsicherheit besteht. Aus diesem Grund wird meistens in einem vorgeschalteten Lichtungsgespräch vor dem Arbeitsgericht eine Abfindungszahlung vereinbart und das Arbeitsverhältnis entsprechend einvernehmlich beendet.
Augsburger Südanzeiger: Wie hoch ist die Abfindung dann in der Regel?
RA Gollmann: Bei der Abfindung geht man von der Regel aus, dass von dem zuletzt durchschnittlich bezogenen Bruttoverdienst pro einem Jahr Betriebszugehörigkeit ein halbes Bruttomonatsgehalt bezahlt wird. War der Arbeitnehmer bei einem Brutto von 3.000,00 ¤ vier Jahre beschäftigt, wäre die Regelabfindung somit bei 6.000,00 ¤. Diese Abfindung unterliegt der Lohnsteuerpflicht. Allerdings müssen hierauf keine Sozialversicherungsabgaben bezahlt werden, so dass der wesentliche Anteil der Abfindung dem Arbeitnehmer auch tatsächlich zufließt.
Augsburger Südanzeiger: In welchen Fällen ist die Kündigung durch den Arbeitgeber rechtlich möglich?
RA Gollmann: Wenn kein besonderer Kündigungsschutz (z. B. Schwangere, Betriebsräte, Schwerbehinderte etc.) gegeben ist, muss ein so genannter personenbedingter, verhaltensbedingter oder betrieblich bedingter Grund für die Kündigung vorliegen. Der Arbeitgeber ist hierfür im Prozess grundsätzlich auch beweispflichtig.
Die größte Rolle spielen selbstverständlich betrieblich bedingte Gründe. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber bei Wegfall von Arbeit auch die Arbeitnehmeranzahl entsprechend reduzieren kann.
Augsburger Südanzeiger: Kann sich bei einem Wegfall von Arbeitsplätzen der Arbeitgeber grundsätzlich die Arbeitnehmer aussuchen, die er gerne kündigen will?
RA Gollmann: Der Gesetzgeber schreibt bei betrieblichen Gründen vor, dass der Arbeitgeber die soziale Auswahl berücksichtigen muss. Werden von 20 vergleichbaren Arbeitnehmern beispielsweise vier Arbeitnehmer gekündigt, muss der Arbeitgeber die richtige Sozialauswahl treffen. Die Sozialauswahl berücksichtigt im Wesentlichen die Dauer der Betriebszugehörigkeit, den Umfang von Unterhaltspflichten und das Alter. Dabei wird die Betriebszugehörigkeit am höchsten gewichtet. Der Arbeitgeber muss gegebenenfalls bei Gericht darlegen, dass er die entsprechenden Arbeitnehmer gekündigt hat, welche nach der Sozialauswahl den geringsten Schutz genießen. Sehr häufig wird bei einer Entlassung die Sozialauswahl nicht richtig berücksichtigt, so dass bereits aus diesem Grund ein Arbeitnehmer vor Gericht einen Kündigungsschutzprozess gewinnt.
Augsburger Südanzeiger: Was würden Sie einem Arbeitnehmer, der gekündigt wird, dann empfehlen?
RA Gollmann: Der Arbeitnehmer sollte bei einer Kündigung in jedem Fall fachkundigen Rat einholen. Dies muss er nach Erhalt der Kündigung sehr schnell machen, da nach Ablauf von drei Wochen gegen die Kündigung nichts mehr unternommen werden kann.
Augsburger Südanzeiger: Herr Rechtsanwalt Gollmann, wir danken Ihnen für das Gespräch.