„Ja Buaba, dös ka ma fei it so lossa“: Kindheitsgeschichten aus der Nachkriegszeit in Stadtbergen (1945-1955)

„Ja Buaba, dös ka ma fei it so lossa!“: Kindheitsgeschichten aus der Nachkriegszeit in Stadtbergen (1945-1955)


12. Begegnungen mit dem TodDie Aufteilung Stadtbergens in Alt – und Neustadtbergen brachte es mit sich, dass die politische Gemeinde in zwei Kirchengemeinden aufgeteilt wurde.In der Pfarrei St. Nikolaus in Altstadtbergen residierte Dekan Wilhelm Heffele seit 1915, die Gemeinde Neustadtbergen erhielt als Pfarrer Herrn Expositus Hintermayer. Bis zur Fertigstellung der Kirche Maria Hilf im Jahre 1953 diente den Neustadtbergern St. Michael in Pferrsee als Pfarrkirche.Obwohl von der Wohnlage her zur Pfarrei St. Nikolaus gehörend, fühlte sich unsere Mutter mehr zur Kirche St. Michael hingezogen, weil Pfarrer Hintermayer schon seit 1936 mit meinem Vater befreundet war und die Mutter seine guten Predigten und die sorgfältig vorbereiteten Gottesdienste schätzte. Ich hatte dafür kein Verständnis und bevorzugte die St. Nikolauskirche, weil sie so nahe und daher schnell erreichbar war. Nach meiner Erstkommunion 1949 fühlte ich mich erst recht zu dieser Kirche hingezogen, denn dahinter lag der Friedhof mit Leichenschauhaus. Die Verstorbenen wurden im offenen Sarg zur Schau gestellt. Das war höchst interessant für uns, auch wenn es uns beim Anblick der Verstorbenen mitunter recht mulmig im Bauch wurde.War damals in Stadtbergen jemand verstorben, so verkündete dies vom Kirch-turm die “Scheideglocke“. Nach der Schule statteten wir dem Leichenschauhaus gleich einen Besuch ab. Totengräber Waal war dabei, eine neue Grube im Friedhofsgelände auszuheben. Er rief uns zu: „He, Buaba, wollt’s ihr amol an Totakopf seha. I’ hab’ grad oin ausg’hoba. A paar Boiner san o dabei. Wenn ihr wollt’s, könnt’s ihr a paar Knöchala ind Hand nehma!”Das wollten wir natürlich nicht, aber gruselig war es schon, einen Blick auf die zukünftige Vergänglichkeit zu werfen. Weil Herr Waal uns mochte, erzählte er uns seine Anekdoten zu den einzelnen Verstorbenen in den Gräbern. Schließlich hatte er schon unzählige Stadtberger bestattet. Der Friedhof war seine Welt und wir durften daran teilhaben. Einmal stieß er beim Ausheben eines Grabes auf einen intakten Sarg. Herr Waal rief aus der Grube herauf: „Wollt’s ihr die Leich’ no a mol seha, dann trapp i a bissele feschter auf den Deckel nauf.!“„Na, na, lieber net,“ riefen wir ihm zu, „sonst träumt’s uns davon!“ und sausten auf schnellstem Wege nach Hause. (Weitere Geschichten von Winfried Hierdeis in den nächsten Ausgaben des Stadtberger Boten)