„Ja Buaba, dös ka ma fei it so lossa!“ Kindheitsgeschichten aus der Nachkriegszeit in Stadtbergen (1945-1955) 37. Freunde

„Ja Buaba, dös ka ma fei it so lossa!“ Kindheitsgeschichten aus der Nachkriegszeit in Stadtbergen (1945-1955) 37. Freunde

Neben der Schule in der Schubertstraße wohnten meine zwei Schulfreunde: Egon, er ließ seinen Namen lieber rückwärts, also “Noge“ rufen und Gerhard mit dem Spitznamen “Haktus“.
Beide Freunde lebten in einer vollständigen Familie, weil ihre Väter heil aus dem Krieg zurückgekommen waren. “Noge“ hatte einen älteren Bruder Werner, “Haktus“ war Einzelkind. “Noge“ ließ mich immer wieder erfahren, was es bedeutete, einen Papa im Hause zu haben. Er nannte ihn liebevoll “Hutu“.
Ich weiß zwar nicht warum, aber der Name passte irgendwie zu ihm. Egons Begrüßungszeremonien waren sehr herzlich, wenn sein “Hutu“ abends nach Hause kam. Da spürte ich sehr deutlich, dass mir der Krieg etwas Schönes und sehr Wichtiges genommen hatte.
Neben den beiden kleinen Einfamilienhäusern meiner Freunde stand noch eine Baracke in der Nähe des Schlaugrabens, die eine Schreinerei beherbergte. Schreinermeister Köhler arbeitete hier mit seinem Lehrjungen Namens “Urle“.
Unser Spielgelände bestand aus dem Schlaugraben und den umliegenden Wiesen und Feldern. Vor allem der “Schlogse“ zog uns zu allen Jahreszeiten magisch an.
War nur ein Rinnsal drinnen, stauten wir mit Steinen und Lehm das Wasser auf, um unsere Rindenboote auf dem so entstandenen Stausee schwimmen zu lassen.
War der “Schlogse“ ausgetrocknet, diente er uns als gutes Versteck. Als solches gebrauchte es auch der Schreinerlehrling “Urle“. Scheinbar gab es in der Schreinerei keine Toilette. Also verrichtete “Urle“ seine Notdurft im Schlaugra- ben und deckte diese mit Sägmehl zu. Unser Spottvers für ihn lautete: S’ “Urle“ von Welda hot d’Arsch voll Spälda!
S’ “Urle“ war zwar nicht von Welden, aber ein guter Reim war uns wichtiger als die Wahrheit.
Stieg im “Schlogse“ das Wasser nach kräftigen Regenfällen an, dann erwachte unser Sportgeist. Wir hüpften über den Graben hinüber. Verlierer war, wer ins Wasser fiel. Das war äußerst unangenehm und wurde daheim mit Hausarrest geahndet. „Du hast das Haus sauber verlassen und kommst wie ein Schwein heim. Das Dreckszeug kannst du selber auswaschen!“ schimpfte unsere Tante. Sie war ja für die Wäsche zuständig und litt wegen fehlender Waschmittel besonders unter dem Schmutz.
Bei Hochwasser füllte sich der Graben randvoll mit gelbbraunen Fluten. An Spielen war vorerst nicht zu denken. Mit neugierigem Interesse beobachteten wir die Naturgewalten und staunten, was aus unserem “Schlogse“ geworden war: Ein wildreißender, brodelnder Bach, dessen Fluten über den Rand schwappten und sich in die angrenzenden Wiesen ergossen.
Bei schönem Wetter konnte man auf den Wiesen bolzen oder auf Hasen bzw. Rebhuhnjagd gehen. Wir waren dabei nicht erfolgreich, aber spannend war es schon.
Erst als die Amerikaner begannen, ihre Golfplätze zwischen Stadtbergen und Leitershofen anzulegen, verschwand der Lebensraum der Tiere schlagartig. Unser Spielparadies wurde ärmer.
(Weitere Geschichten von Winfried
Hierdeis in den nächsten Ausgaben des Stadtberger Boten)