„Ja Buaba, dös ka ma fei it so lossa!“ Kindheitsgeschichten aus der Nachkriegszeit in Stadtbergen (1945-1955) 28. Waschtag

„Ja Buaba, dös ka ma fei it so lossa!“ Kindheitsgeschichten aus der Nachkriegszeit in Stadtbergen (1945-1955) 28. Waschtag


Einmal in der Woche, in der Regel am Mittwoch, war bei uns der große Waschtag. Tante Rosa war schon am frühen Morgen in den Keller hinab-gestiegen, um den großen Waschkessel anzuheizen. Sie schleppte Berge von Schmutzwäsche hinunter, die sich bei unserer sechsköpfigen Familie entsprechend auftürmten. Als Waschmittel dienten Henko – zum Einweichen, Sil – zum Fleckenlösen und Persil zur Hauptwäsche. Dieser dreistufige Kampf gegen Grauschleier und Schmutz war damals aber nur möglich, wenn man die entsprechenden Waschmittel auch bekam. Wenn wir ab und zu unsere Tante im Keller besuchten, konnten wir feststellten, welch schwere körperliche Arbeit das Wäschewaschen war. Die Tante stand in Nebelschwaden eingehüllt und stampfte mit dem Wäschestampfer die Wäsche, um den Schmutz herauszulösen. Fest sitzende Flecken wurden am Waschbrett herausgebürstet, die Kochwäsche rührte sie mit einem riesigen Holzlöffel immer wieder auf. Das Ausspülen der Wäsche war ebenfalls äußerst kraftraubend und mühsam, da am Schluss alle Wäschestücke mit den Händen ausgewrungen wurden. Hilfsmittel wie eine Wäscheschleuder gab es noch nicht. Tante Rosa war an den Waschtagen leicht gereizt und für unsere Späße nicht zu haben. Hielten wir uns in der Waschküche zu lange auf, sagte sie nur kurz: „Schaut, dass ihr weiterkommt und lasst mir mei Ruh!“ Den Gefallen taten wir ihr gerne.Waschtag bedeutete für unsere Familie, dass Tante Rosa keine Zeit hatte, sich um das Mittagessen zu kümmern. Sie bevorzugte an diesem Tag eine einfache Kochvariante: Sauerkraut mit Schweinebauch auf den Herd – und fertig. Die Salzkartoffeln wurden eine halbe Stunde vor dem Mittagessen zugestellt.So köchelte alles ohne Aufsicht vor sich hin und war zur rechten Zeit fertig. Wir kannten dieses Waschtagsmenü und keiner freute sich auf das Mittagessen. Bruder Bernhard behauptete sogar: „Wenn man von der Südstraße in den Oberen Stadtweg einbiegt, dann riecht es schon nach Sauerkraut und Schweinebauch!“ Wir bestätigten seine Wahrnehmung und stocherten missmutig im Essen herum. Jeder versuchte, das Fett des Schweinebauchs herauszulösen, um nur die mageren Streifen zu erwischen. Alle gaben sich große Mühe, das Kraut aufzuessen, andernfalls stand es am folgenden Tag schon wieder auf dem Speiseplan.Dies wollte keiner von uns provozieren. Man war froh, wenn das Thema Sauerkraut auf den nächsten Waschtag verschoben werden konnte. Eine kleine Freude war aber dem verhassten Menü doch abzuringen: Tante Rosa würzte das Kraut ordentlich mit Wacholderbeeren und Pfefferkörnern. Diese wurden von uns sorgfältig aus dem Kraut herausgeklaubt und am Tellerrand deponiert. In einer Art sportlicher Übung versuchte man immer wieder durch Ablenkungsmanöver sich gegenseitig einige dieser Körnchen unterzujubeln. Das lief dann so ab: „ Du, Bernhard, ich glaube, der Spindler Eugen hat unten gerufen!“ – und schon war Bernhard am Küchenfenster, riss es auf und sah nach unten. Bis er den falschen Alarm realisiert hatte war sein Kraut von uns Brüdern reichlich mit Pfefferkörnern und Wacholderbeeren gespickt worden. Wenn er dann auch noch auf ein Pfefferkorn biss, war unsere Schadenfreude groß und das leidige Kraut für einen Moment vergessen. (Weitere Geschichten von Winfried Hierdeis in den nächsten Ausgaben des Stadtberger Boten)