Im Handy-Boot – Bürgerversammlung Deuringen
Deuringen ist als Standort für einen Mobilfunkmasten anvisiert. Die Menschen, die dort wohnen, sind wegen dem Elektrosmog in Sorge: „Was kommt auf mich und meine Familie zu?“ Die zu diesem Thema einberufene Bürgerversammlung Mitte September fand darum regen Anklang.Von 1994 bis 2006 gab es um die 308 Studien zum Thema Mobilfunk: die Mehrzahl fand einen Effekt, berichtet Hans Ulrich-Raithel, Vorstand vom Münchner Umweltinstitut. Die Hirnströme änderten sich ähnlich, wie wenn man auf eine rote Ampel zufährt, wodurch Stresshormone ausgeschüttet werden – die Folge sind Nervosität und Schlafstörungen.
„Beim Handy ist es ähnlich wie bei den Röntgenstrahlungen, sie führen zu einer DNA-Schädigung. Das Risiko, an einem Innenohr- oder Hirntumor zu erkranken, ist bei jemand, der das Handy seit über zehn Jahren viel nutzt, um das 1,5fache bzw. das 2,2fache erhöht.“ Auf der anderen Seite möchte niemand auf ein Handy verzichten. Die etwas mehr als 80 Mio. in Deutschland lebenden Menschen verfügen mittlerweile – rein statistisch gesehen vom Kleinkind bis zum Greis – über 82 Mio. Handys, so Bürgermeister Ludwig Fink. „Sie sind geradezu vernarrt in dieses Medium, werden vielleicht auch zum Narren gemacht durch eine aggressive, wahrhaft schrankenlose Werbung, die insbesondere bereits die Kinder und Jugendlichen so in ihren Bann schlägt, dass es ohne gar nicht mehr geht.“ Er selbst bekennt sich als „Handymuffel“, dem es jedoch fern liegt, das Handy generell zu verteufeln, das mittlerweile überall als Standard gilt. „Staat, Wirtschaft, fast die gesamte Bevölkerung sitzen im Handy-Boot.
Denn auch der Staat hat die Entwicklung zum Handy nach allen Regeln des Kapitalismus vorangepeitscht. Er hat vor Jahren die UMTS-Lizenzen für die unvorstellbar hohe Summe von 100 Mrd. DM versteigert“, berichtet der Bürgermeister. Und nun sollen sich die Gemeinden mit der Problematik befassen, die immer mehr Zeit und Aufwand kostet, oft werdena sie sogar an den Pranger gestellt für etwas, das sie gar nicht zu verantworten haben. „Ein unfaires Spiel! Trotzdem knien wir uns in die Materie.“ Da der Mobilfunkbetreiber vorhat, eine Antenne mit einer Länge von unter 10 Metern zu errichten, hat die Gemeinde normalerweise kein Mitspracherecht, „wäre da nicht das Feigenblatt des Mobilfunkpakts“, freut sich Ludwig Fink, welcher der Gemeinde einräumt, zum gewünschten Standort Alternativ-Standorte vorschlagen zu dürfen. Siegfried Zwerenz, Vorsitzender der Bürgerwelle, erinnerte daneben an die Ortsgestaltungssatzung, durch welche die Gemeinde bei der Optik mitbestimmen darf.
Vom Betreiber anvisiert ist ein Standort im Zentrum von Deuringen, „was nichts Gutes heißt: Kindergarten, Kirche, Pfarrheim, Feuerwehr, Gaststätte – alles in unmittelbarer Nähe. Zahlreiche Häuser im roten Bereich, also deutlich über den Schweizer Grenzwerten (100 Mikrowatt pro Quadratmeter)“, berichtet der Bürgermeister. Hans Ulrich-Raithel, betraut mit der Emissionsprognose für verschiedene Standorte, sieht eine optimale Versorgung bei niedriger Belastung auf dem Gelände des Sportplatzes gegeben. Siegfried Zwerenz rät dagegen vom Sportplatz ab, da dort Kinder und Jugendliche der Strahlung ausgesetzt sind. Eigentlich wollen die Deuringer gar keine weiteren Leistungen und Funktionen für ihre Handys, das haben sie einstimmig bei der Bürgerversammlung beschlossen. Sie erteilten dem Bürgermeister einhellig den Auftrag für Verhandlung mit dem Betreiber, den Standort ganz fallen zu lassen. „Besteht der Betreiber unter allen Umständen darauf, einen Standort in Deuringen zu finden, werde ich persönlich für die Lösung stimmen, die für Gesamt-Deuringen am wenigsten belastend ist“, beteuert Ludwig Fink.
Daniela Dusold