Geschichten aus der Geschichte – Historische Betrachtungen von Heinz Münzenrieder: Das Gögginger Sühnekreuz – Die Magd des Zott-Bauern erfuhr ein schlimmes Ende. Oder: Wie das Hexengässle zu seinem Namen kam

Den kleinen Weg entlang der Singold – wo man die Dienstmagd tot auffand - nennt der Volksmund heute noch Hexengässle. Foto: Gunnar Olms

Göggingen. Aufsässig und rebellisch war sie. Und manchmal fluchte sie. Auch mit dem Beten nahm sie es nicht so genau. Gern wurde dies im Ort nicht gesehen. Sie verdiente ihre bestimmt nicht großen Brötchen als Dienstmagd im schon seit dem Mittelalter bestehenden Zott-Hof an der Wellenburger Straße, gleich schräg gegenüber der heutigen Trambahn-Endhaltestelle. Das Anwesen gehörte nicht zu den kleinsten und musste zwischenzeitlich einem großen Wohnblock weichen. Wohl in den 1910er Jahren ereignete sich dort ein Vorkommnis, das heute noch in der Erinnerung nicht weniger Gögginger einen Platz hat: Obwohl an einem schwülen Augusttag ein heftiges Gewitter tobte, sollte die Magd im nachbarlichen früheren Gasthof „Linde“ – an der Hessingstraße gelegen – Bier besorgen. Mit den nicht schönen Worten: „Ich pfeife auf den Schutz der Heiligen“, trat sie ins Freie und das Unglück nahm seinen Lauf: Ein grell-lilagrüner Blitzschlag und ein sofortiger ohrenbetäubender Donnerschlag machten dem Treiben der Magd ein jähes Ende. Und sie war – wie und warum auch immer – vom Erdboden verschwunden. Nur ihre Pantoffel blieben übrig. Und später berichtete der Zott-Bauer von einem noch nach Stunden zu bemerkenden Schwefelgeruch am Ort des schlimmen Geschehens.

Die Erinnerung ist geblieben
Einen Tag später fand man die ­tote Dienstmagd in der Singold, dort wo heute noch der kleine Verbindungsweg anfangs entlang der Singold zwischen der Dekan-Mayer-Straße und der Mühlstraße verläuft. Die Gögginger – tief beeindruckt vom schrecklichen Geschehen und das Verhalten der manchmal gotteslästernden Magd verurteilend – gaben dem schmalen Weg am Ort des Auffindens der Magd deshalb den Namen ­Hexengässle. Für den Zott-Bauer war dies alles Anlass dafür, im Garten seines Anwesens ein Sühnekreuz zu errichten. Vielleicht auch deshalb, um Abbitte dafür zu leisten, weil er nicht verhinderte, dass seine Dienstmagd bei diesem schlimmen Unwetter und dazu mit so bösen Worten ins Freie trat. Das Kreuz wanderte vor einigen Jahren nach Pfersee aus. Es leistet jetzt Dienste auf dem Gelände der Herz-Jesu-Kita an der Droste-Hülshoff-Straße. Dies auf speziellen Wunsch eines Nachfahren des Zott-Bauern. Und nicht gerade geschichtsbewusst war man in den 1960er Jahren im Gögginger Rathaus. Als das amtliche Wegeverzeichnis angelegt wurde, wollte man wohl die Bezeichnung Hexengässle nicht und schrieb herzlos-bürokratisch in die Kartei: „Unbenannter Weg zwischen Dekan-Mayer-Straße und Mühlstraße“. Aber so eine Beamtenschreiberei kann die Erinnerung an dieses die Menschen damals bewegende Ereignis nicht auslöschen. Auch nicht an eine Frau, die uns heute noch Rätsel aufgibt. Sie aber als Hexe zu sehen, wird ihr nicht gerecht werden.

 

Und – war’s das jetzt?

Ein Weg, mitten in der Zivilisation, der ein Geländer hat, Beleuchtung und sogar ein Verkehrsschild – aber keinen offiziellen Namen? Das war‘s nicht unbedingt, denn wie uns auf Anfrage Wilfried Matzke, der Leiter des Geodatenamtes der Stadt Augsburg (die ja seit der Eingemeindung dafür zuständig ist) erklärte, kann der namenlose Weg durchaus nachgewidmet werden – es müsste halt jemand den Antrag stellen.
An diesem Weg gibt es keinerlei Anwohner, somit könnte sich niemand etwa durch seine Anschrift „Hexengässle“ diskreditiert fühlen. Ob man „Hexe“ heute noch sagen darf, wer weiß – der Vorschlag würde aber sicherheitshalber der Kommission für Erinnerungskultur zur Beurteilung vorgelegt werden.
Jetzt ist es an Ihnen, liebe Gögginger, aktiv zu werden – schreiben Sie an die Stadt, schreiben Sie uns, vielleicht schlagen Sie ja auch einen anderen Namen vor – wir veröffentlichen gern Ihren Leserbrief!
Gunnar Olms, Augsburger Südanzeiger