Göggingen: 70 Jahre Entwicklung der Lebensmittelversorgung – Manfred Mayr erinnert sich/ Teil 2: Von den ersten Waren aus dem Ausland bis zum heutigen Transportstau auf den Fernstrecken
Hafer aus Marokko, Milokorn aus Algerien, Mais und Tapiokamehl aus Südafrika, waren die wichtigsten importierten Futtermittel. Ein LKW mit zwei Anhängern fuhr die Ware von Mannheim nach Augsburg. Es mußte zu jeder Tages- und Nachtzeit abgeladen werden. Die Fahrzeuge waren sehr langsam, bergauf oft nur 10 kmh, Radfahrer ließen sich da oft mitschleppen. Es entstanden sehr lange Fahrzeiten, deshalb galt es, Standzeiten so weit wie möglich zu vermeiden
Jetzt war auch die Möglichkeit da, daß Bauern in größeren Mengen, das waren damals 5-20 Ztr., abholen konnten. Der Viehbestand wurde aufgestockt und Futtermittel zugekauft. Mit ihren Pferde- oder Ochsenfuhrwerken kamen die Bauern nicht nur aus Göggingen, sondern auch aus Stadtbergen, Leitershofen, Bergheim und Anhausen. Von der Trockenheit hart getroffen waren besonders die Bauern auf dem Lechfeld, von Königsbrunn bis Graben.
Auch Privatleute stiegen in die wachsende Fleischerzeugung ein. Geflügel und Kaninchen, Ziegen und Schweine wurden zum Nebenerwerb gehalten. Auch einige ehemalige Kriegsgefangene aus Russland und ehemalige Zwangsarbeiter aus Polen blieben hier und verdienten mit vielen Mühen ihren Unterhalt als Kleintierzüchter oder Schweinemäster.
Damals entstand das Kuriosum, daß Lebensmittelmarken von den Verbrauchern eingesammelt auf Bogen geklebt und auf der Gemeinde abgeliefert werden mußten, dafür bekamen wir dann Bezugscheine, die wieder an die Mühlen weitergegeben wurden. Dies mußte getan werden, nur um den vorhandenen Ämtern (aus Kriegszeiten) gerecht zu werden. Ware war inzwischen genug vorhanden und jeder konnte seinen Lebensmittelbedarf decken. Aber die Bezugscheinwirtschaft war eben noch da.
1949 hatten wir schon einen Dreiradlieferwagen Marke „Tempo“. Der war 70 km schnell und es konnten 800 kg geladen werden.
In den 50er und 60er Jahren wurde die Pflanzenzucht aktiv. Es wurden immer ertragreichere Getreidesorten entwickelt, die aber auch mit Dünger versorgt werden mußten. Dadurch mußte ich mich auf die Beratung für Saatgut, Dünger und Pflanzenschutz spezialisieren.
Auch die Mischfutterherstellung wurde ausgebaut, um immer mehr Erträge bei der Tierhaltung zu erzielen.
Düngemittel und Zucker wurden nur mit der Bahn transportiert. Auch die meisten Importfuttermittel und Importgetreide wurden auf Waggons verladen. Nachlassender Dienstleistungswille und ständige Tariferhöhungen der Bahn führten dazu, daß der Güterverkehr immer mehr auf die Sraße verlegt wurde. Sogar Postämter wurden von den Bahnhöfen weg verlegt, der Posttransport wird auch per LKW durchgeführt.
LKW´s wurden wichtiger, der Transport direkt von Haus zu Haus immer mehr bevorzugt.
Die Fahrzeuge wurden größer, schneller und bequemer. In den 70er und 80er Jahren wuchs dann auch der PKW-Verkehr sprunghaft an. Heute erfolgen Anlieferungen bei uns nur noch mit LKW´s. Die meisten Kunden kommen per PKW, auch viele mit dem Fahrrad.
Langsam entstand durch die wachsende Lebensmittelerzeugung und durch die ständig steigenden Importe die heutige Überproduktion.
Rücksichtslose Tierhaltung, übertriebene Düngung und Pflanzenschutz sowie industrielle Herstellung von haltbaren Lebensmitteln, lassen heute die Lebensmittelversorgung immer billiger erscheinen.
Die ständig abfallende Qualität wird oft nicht erkannt, der gesunde Geschmackssinn der Menschen geht verloren. Das beginnt schon bei der Ernährung der Kleinkinder, statt Getreidebrei (Grieß, Haferflocken, Reis, Hirse und dgl.), Gemüse und Obst, bekommen die Kinder irgendwelche Fertigprodukte, mit Konservierungsstoffen, künstlichen Vitaminen und Mineralstoffen und oft noch künstlichen Aromen.
Es ist deshalb immer wichtiger, möglichst wertvolle, naturbelassene Lebensmittel zu günstigen Preisen zu beschaffen. Natürliche, vielfältige Ernährung und körperliches und geistiges Training sind die Grundlagen der Gesundheit.
Wir haben das Glück, in einer Gegend zu leben, in der die (sog. „rückständige“) Landwirtschaft noch nicht auf die Massentierhaltung und Monokulturen auf den Feldern umgestiegen ist. Das Gute liegt nah und braucht nicht weit transportiert zu werden! Futtermittel und Dünger werden etwa seit dem Jahr 1990 bei den Bauern meist lose angeliefert und das in Mengen von 1to-25to.
Leider läuft die Masse der Lebensmittel über große Filialketten, die das anscheinend billigste der Welt zusammenkarren. „Billige“ tierische Produkte aus der Massentierhaltung, z.B. Eier, Fleisch, Fische, Garnelen und vieles mehr. „Billige“ Getreideprodukte aus Monokulturen, die es in Süddeutschland überhaupt nicht gibt, z. B. Weizen, Mais, Gerste, Roggen, oder sogar genmanipulierte Körner wie Mais und Soja aus Übersee.
Diese Transporte überfüllen heute unsere Autobahnen und Landstraßen, sind in Städten oft nicht durchführbar, weshalb die Verkaufsstellen an den Ortsrand verlegt werden müssen. Hier können sie von den Verbrauchern zu Fuß, mit dem Fahrrad oder gar dem Handwägele nur schwer erreicht werden. Also wird der Verbraucher auch ins Auto gezwungen, um seine Lebensmittel zu beschaffen. Tausende von qm befestigte Parkplätze sind dann das wichtigste Bauwerk der Märkte, damit viel Werbung, %, Farbe und Verpachung mit wenig Inhalt verkauft werden können.
Die PKW`s werden immer mehr, LKW`s, die heute 24-25to laden können sollen noch größer werden? Hoffentlich werden unsere früher so staubigen Landstraßen nicht zu gut ausgebauten Stauparkplätzen von denen man zusehen kann, wie vielleicht ein Handwägele, ein Fahrrad oder gar Fußgänger vorüberziehen.