Göggingen: 70 Jahre Entwicklung der Lebensmittelversorgung – Manfred Mayr erinnert sich/ Teil 1: Vom Transport auf staubigen Ortsstraßenper Fahrrad und Handwägele bis zu den ersten Lkws
Nach Kriegsende 1945 war es für die Geschäftsleute von Göggingen schwierig, die durch den Flüchtlingsstrom rasch anwachsende Bevölkerung mit dem Notwendigsten zu versorgen. Vor allem unserer Firma, dem „Mehl-Mayr“ an der Wiesenbachstraße in Göggingen, fiel die Aufgabe zu, die Bevölkerung mit Mehl und Futtermitteln zu bedienen. In jedem Haushalt wurde gekocht und gebacken und dazu brauchte man wöchentlich fünf bis zehn Pfund Mehl. Fast in allen Gärten dienten damals Kleintiere wie Hühner, Enten, Gänse und Kaninchen der Selbstversorgung, aber auch Ziegen, Schafe und Schweine wurden gehalten, um den Speisezettel zu bereichern. Gras aus dem eigenen Garten und Lebensmittelabfälle waren aber zur Fütterung der Tiere zu wenig, man musste auch Futter kaufen. Die zu jener Zeit harten Winter, die trockenen Sommer und vielfach fehlende Düngemittel trugen dazu bei, dass die landwirtschaftliche Produktion aus der Region zur Ernährung der Bevölkerung nicht ausreichte. Die Rationierung der Lebensmittel regelte nur den Mangel, trug aber nicht zur Produktionssteigerung bei. Unser Hauslieferant war damals die Vogt-Mühle (jetzt geschlossen) in Wehringen, Mehl und die sogenannten Mühlennachprodukte (Tierfutter) wurden mit dem „Lanz“, einer 1-Zylinder-Zugmaschine) und einem Anhänger nach Göggingen gebracht. Auch die Mühle Wolmetshofen hatte noch freie Kapazitäten und schickte ihre Produkte per Bahn nach Augsburg. Vom Bahnhof wurden dann die Waren mit der „Bahnamtlichen Rollfuhr“, das war damals ein großes Pferdefuhrwerk mit zwei schweren Pferden, nach Göggingen gebracht. Eine örtliche Besonderheit: auch die Straßenbahn transportierte Waren, auf einem speziellen flachen Anhänger mit abklappbaren Bordwänden von der Schrannenhalle an der Halderstraße in die einzelnen Stadtteile und auch die ans Schienennetz angeschlossenen Randbereiche, wie eben Göggingen.
Als dann 1948 das neue Geld (die DM) da war, konnte und wollte jeder etwas verdienen und da es noch buchstäblich an allem mangelte, war dies – mit entsprechend viel Anstrengung – praktisch überall möglich. Auch die private Nutztierhaltung wurde zur Nebeneinnahme ausgebaut. Viele Leute kamen mit Handwagen, Fahrradanhängern, Fahrrädern, oder einfach als Fußgänger mit Rucksack zum Einkaufen und reihten sich in die Schlange der vor Mehl-Mayr Wartenden ein.
Allmählich regenerierten und vergrößerten sich ringsum die Fuhrparks, Reparaturwerkstätten wurden wieder aufgebaut.Viele militärische Güter wurden einer neuen, zivilen Nutzung zugeführt: Auffallend waren zum Beispiel im Straßenbild die vielen roten Blusen, Kleider und Röcke; die gab es aber weniger deshalb, weil die Farbe so beliebt gewesen wäre, sondern weil die vielen roten Hakenkreuzfahnen übrig waren. Auch weiße Wintermäntel waren sehr in Mode, die wurden aus den weißen Fliegerwolldecken angefertigt. Sogar Wärmflaschen gab es zu kaufen, die wurden aus Gasmaskenfiltern hergestellt. Auch unser Fuhrpark wuchs: Meine Mutter verkaufte ihre Nähmaschine an einen Herrn Hess, der in der damaligen von-Stetten-Straße. eine Schneiderei aufbaute, dafür verkaufte dieser seinen Opel Olympia (ohne Räder!), an meinen Vater, der daraus einen Behelfslieferwagen baute.
Nach und nach wurden im ganzen Land wurden die noch vorhandenen alten Lastzüge, Vorkriegsmodelle, wieder hergerichtet und damit konnten Importwaren vom Binnenhafen Mannheim auch zu uns nach Bayern transportiert werden.(Dazu mehr in Teil 2 , im nächsten Südanzeiger!)