Stadtberger Geschichten – durchs Bierglas betrachtet Teil 1 von Alfred Hausmann

Stadtberger Geschichten – durchs Bierglas betrachtet Teil 1  von Alfred Hausmann

Wenn Ende des Jahres die neuen Eigentümer und Mieter in die Wohnungen im Bräuhaus Stadtbergen einziehen, ist seine mehr als 200jährige Geschichte als Braustätte und eine über 300jährige Zeit als Gastwirtschaft endgültig zu Ende. Die Bewohner ziehen ein in das (nach dem Westteil des Schlössles) zweitälteste Bauwerk Stadtbergens, das rund 35 Jahre vor der Pfarrkirche St. Nikolaus erbaut wurde.
Ich nehme das Aus des traditionsreichen Gasthauses zum Anlass in die Geschichte der drei Stadtberger Brauereien und sechs Gastwirtschaften einzutauchen und lade Sie ein, mit mir Stadtberger Geschichte in fünf Kapiteln „durch‘s Bierglas“ zu betrachten.
Schenke seit 1385
Schon längst vor Bestehen des Bräuhauses, dessen Grundstein im Mai 1694 durch das Domkapitel Augsburg gelegt wurde, gab es natürlich in Stadtbergen, das zur Karolinger Zeit gegründet worden sein soll und im 12. Jahrhundert erstmalig erwähnt wurde, ein Wirtshaus. 1385 wird ein solches genannt neben zehn Höfen, die den Zehnten an das Heilig-Geist Spital in Augsburg zu zahlen hatten. Das Spitalhaus stand damals noch in der Wagenhalsvorstadt vor dem Roten Tor. Erst im 17. Jahrhundert baute Elias Holl die heutigen Spitalgebäude, in denen sich jetzt die Augsburger Puppenkiste und ein Pflegeheim der Spitalstiftung befinden.
Das in einem Gasthaus des Mittelalters ausgeschenkte Bier wurde dort auch gebraut. Die Berufe des „Gastgeb“ (Wirts) und Bräus waren damals in einer Person vereint. Die Gaststätten waren – modern gesagt – Hausbrauereien. Gebraut wurde in kupfernen Kesseln in recht bescheidenen Mengen in der Küche oder in einem Schuppen. Gärbottiche und Fässer standen im Keller. Erst um 1540 wurde in Augburg die erste Sudpfanne mit gemauertem Fuß eingerichtet. Dass das Gebräu unseren verwöhnten Gaumen geschmeckt hätte, ist äußerst zweifelhaft, wenn man von den „Geschmacksverstärkern“ liest, die damals zugesetzt wurden: Kräuter wie Wermut, Fenchel, Thymian, Wacholder, Nelken und Salbei, Wurzeln, Honig, Baumrinde, Blüten, ja sogar Ochsengalle. Meistens sollte der üble Geschmack des sauer gewordenen Bieres überdeckt werden. Zum Mälzen wurden alle verfügbaren Getreidearten und auch andere stärkehaltigen Pflanzen wie Hirse und Bohnen hergenommen. Hopfen als Zugabe setzte sich erst im 14. Jahrhundert durch, und das als „Grut“ bezeichnete Kräuterbier verschwand. Ab 1516 gilt in Bayern bekanntlich das Reinheitsgebot, aber eben nur im Herzogtum Bayern, zu dem weder Augsburg noch Stadtbergen gehörten. Doch es ist anzunehmen, dass die nahe Konkurrenz der bayerischen Brauer zur Qualitätssteigerung beitrug.
Ungeld-Haupteinnahmequelle der Obrigkeit
Um diese Zeit (1560) beschreibt der Vogt von Biburg anlässlich eines „Beritts“ unser „Bergen“ so: „Ein Dorf, hat 45 Feuerstätten und der Wirt gibt kein Ungelt.“ „Ungelt“ hieß die Bier- und Weinsteuer, und sie war in diesen Zeiten meist die Haupteinnahmequelle der Obrigkeit. In guten Zeiten machte das Ungeld in Augsburg bis zu 70 Prozent der städtischen Einnahmen aus. Deshalb sah der reichsstädtische Rat einen Fall von Steuerhinterziehung darin, wenn seine Bürger zum Trinken beispielsweise nach Stadtbergen wanderten und bestrafte dieses Delikt mit zwei, später acht Gulden Buße. Sondergenehmigungen gab es allerdings für Hochzeiten, Verwandtenbesuche und Handelsgeschäfte. Der Bürgermeister stellte dann einen „Zechzettel“ aus, von denen noch circa 2000 aus dem 16. Jahrhundert erhalten sind. Prof. Graser von der Universität
Augsburg hat sie unter sprachlichen und soziologischen Gesichtspunkten ausgewertet. Die habsburgischen Vögte klagten fast regelmäßig über das ihrer Herrschaft entgehende Ungeld des Stadtberger Wirts, das wohl dem Domkapitel zufloss. Generell versuchte jede Herrschaft möglichst viele „Ehaften“ (Gasthäuser, Mühlen, Schmieden) in ihren Besitz zu bringen. Dem Domkapitel war es gelungen seinen Besitz in Stadtbergen von 25 Prozent im Jahr 1609 auf 88 Prozent im Jahr 1750 zu steigern. 1677 war auch die „Preystatt“ in seinem Besitz. Allerdings war es noch nicht das heutige Bräuhaus sondern die „Obere Wirtschaft“, das südlich angrenzende Anwesen, heute Schulstraße 10, an dem in diesen Zeiten außerdem die „Gerechtsame“ (Rechte) einer Bäckerei, Huckerei (Handlung) und Branntweinbrennerei lagen. Der erste namentlich erwähnte Wirt ist Jakob Kollmann, welcher 1662 seine „neu erbaute Wirtschaft“ an Michael Werz aus Bobingen verkauft, der eine Braustatt bewilligt bekommt. Das von ihm entrichtete Ungeld macht exakt die Hälfte der Steuerschuld des gesamten Dorfes aus: 53 fl von 106 fl (Gulden). In dieser Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg stieg der Bierverbrauch in Deutschland an, der Weinkonsum ging entsprechend zurück. Die zerstörten Weinberge mussten erst wieder kultiviert werden.
 (Fortsetzung nächste Ausgabe)