Vortrag von Hanna Lorenz und Raphael Gsell: „Ideen zur Weiterentwicklung von Siedlungen am Beispiel der Haunstetter Heimbau- und Messerschmittsiedlung“

Von links: Hanna Lorenz und Raphael Gsell Foto: Kulturkreis Haunstetten

Messerschmitt-Siedlung
Architekturstudenten der Hochschule Augsburg haben im Rahmen des Masterkurses «Nachverdichten, aber wie? – Augsburgs Werksiedlungen» unter der Leitung von Prof. Dr. Irmler und Prof. Rommel verschiedene Siedlungen im Augsburger Raum zunächst analysiert und anschließend, basierend auf der Recherche, einen Vorschlag für die Nachverdichtung der Gebiete ausgearbeitet.
Die studentischen Arbeiten von Hanna Lorenz und Raphael Gsell behandeln dabei die Messerschmitt- und Heimbausiedlung in Haunstetten. Im Ruhesitz Wetterstein haben sie darüber auf Einladung des Kulturkreises Haunstetten e.V. einen Vortrag gehalten:
Die Messerschmitt-Siedlung liegt im Nord-Westen Haunstettens, begrenzt durch Sämann-, Flachs-, Rechen- und Breitwiesenstraße. Sie entstand in den Jahren 1937 bis 1939; in diesem Zeitraum wurden gleichzeitig und in gemeinschaftlicher Arbeit insgesamt 125 Einfamilienhäuser und 18 Reihenhäuser errichtet – im Auftrag der Messerschmitt AG, die mit dem Bau der Siedlung Mitarbeiter langfristig an sich binden wollte.
Am Bau waren neben arbeitslosen Handwerkern und dem freiwilligen Arbeitsdienst auch die zukünftigen Siedler verpflichtend beteiligt. Da die Siedlerstellen nach drei Jahren Mietpacht und bei Einhalten des Siedlervertrags gemäß „Heimstättengesetz“ vom Träger an die Siedler übergeben werden mussten, befinden sich die Häuser und Grundstücke heute alle in Privatbesitz. Demnach gibt es diverse An-, Um- und Neubauten, jeweils den individuellen Ansprüchen der Bewohner entsprechend. Diese zahlreichen baulichen Änderungen lassen auf die Problematik schließen, dass die damaligen Häuser mit weniger als 60 m2 Wohnfläche, nicht ansatzweise dem heutigen Flächenbedarf entsprechen. Einen entgegengesetzten Trend stellen die für heutige Bedürfnisse und Nutzungen extrem großen Freiflächen und Gärten dar. Die Grundstücke, in der Regel ca. 800 – 900 m2 groß, waren ursprünglich für Subsistenzwirtschaft inkl. Kleintierhaltung ausgelegt.
An diesem Punkt setzt der Entwurf zur Nachverdichtung von Hanna Lorenz an. In die bestehende Siedlung wird im Bereich der großen Gärten eine zweite Struktur aus quadratischen Gebäudevolumina eingewebt, die in ihrer Kleinteiligkeit der städtebaulichen Körnung der Messerschmitt-Siedlung entspricht. Dazu wird ca. ein Drittel jedes Grundstücks benötigt. Die Einheiten sind jeweils zweigeschossig und die Grundrisse flexibel nutzbar, es sind zwei Einzimmerwohnungen je 33m2 oder eine Zwei- oder eine Dreizimmerwohnung mit 66m2 in einem Baukörper möglich. Da sich die Häuser zwischen den Häuserreihen in den Gartenbereichen und nicht an den Straßen befinden, sind sie locker angeordnet, um den Kontext „Haus im Grünen“ aufzugreifen. Innerhalb der neuen Struktur erfolgt die Erschließung autofrei. An den Eingängen der Erschließungsachsen befinden sich jeweils Gemeinschaftshäuser, in denen allgemein dienende Funktionsräume wie Technik, Müll, Waschküche, Paketstation etc. untergebracht sind. Im Zentrum der neuen Infrastruktur ist jeweils ein weiteres Gemeinschaftshaus mit Gemeinschaftsraum an einem zentralen Quartiersplatz angeordnet; hier können Geburtstage, Sportkurse, Grillabende etc. stattfinden. Die neuen Einheiten sind jeweils in Gruppen an untergeordneten Plätzen entlang der internen Erschließungsachse positioniert. Zwischen den Gruppen befinden sich immer wieder gemeinschaftliche Gartenflächen.
Die neuen Einheiten selbst haben als privaten Außenraum nur eine Terrasse, keinen privaten Gartenanteil, damit soll die aktive Nutzung der Gemeinschaftsflächen gesteigert werden. Außerdem ist angedacht, dass die Bewohner der neuen Häuser zu ein paar Stunden gemeinschaftlicher Arbeit verpflichtet sind, um die Gemeinschaftsflächen in Stand zu halten, gemeinsame Aktionen und Veranstaltungen zu organisieren etc. Gemeinschaftshäuser, -flächen und -aktionen sind sowohl für Bewohner der Nachverdichtungsstruktur als auch für Bewohner der Bestandshäuser angedacht, um auch für Letztere einen Mehrwert zu generieren. Außerdem besitzen die Bewohner der bestehenden Häuser ein Vorrecht für jeweils eines der neuen Häuser und können entscheiden, ob sie dieses „Partnerhaus“ als Erweiterung ihres eigenen Wohnraums selbst nutzen z.B. für Großeltern, Jugendliche, Kinder etc., ob sie es vermieten z.B. an Studenten oder aber keinen Bedarf haben.
Durch dieses „Verweben“ der ansässigen und neuen Bewohner, bewusst platzierte Gemeinschafts(frei)räume und gemeinsame Pflichten und Unternehmungen soll die Messerschmitt-Siedlung nicht nur nachverdichtet, sondern auch deren Bewohner näher zusammengebracht und das Gemeinschaftsgefühl, das für die Siedlung prägend war, in die heutige Zeit übersetzt und verstärkt werden.

pm Kulturkreis Haunstetten