Getanzte Traumwelten

Tanz mit dem eigenen Spiegelbild Foto: Jutta Nowikow

Ein begeistertes Publikum sah kürzlich „Maries Traumwelten“, gezeigt von der Ballettschule Tingreen, in der Stadthalle Neusäss. 70 Tänzerinnen und Tänzern war es nach einem halben Jahr Proben gelungen, die rund 300 Zuschauer in faszinierende Traumwelten zu entführen.
Die Ballettschule, von Tingreen Jagob mit Unterstützung von Ema Kawaguchi und Nina Geiger geführt und seit über 30 Jahren Anlaufstelle für tanzbegeisterte Balletteleven in Stadtbergen, erzählte mit viel Fantasie und Kreativität die Geschichte des Mädchens Marie, die ihrem Teddybär (Eleonora Munk), einem treuen Begleiter, in geheimnisvolle Traumwelten folgt. In ihrer ersten Traumreise, in der die kleine Marie, überzeugend von Marlene Mauermann dargestellt, aus der schummrigen Einsamkeit ihres Kinderzimmers entflieht, begegnet sie reizenden Kuscheltieren, kleinen Tränen, anmutigen Feen und Süßigkeiten sowie einem Potpourri tanzender Puppen, die allesamt Maries Gedanken und Wünsche zum Leben erwecken und dem Mädchen helfen, sich seinen Ängsten zu stellen.
Jahre später steckt Marie (nun: Susan Yousefi) mitten in der Pubertät. Sichtlich genervt sitzt das Mädchen mit ihrem Smartphone am Bühnenrand und beginnt widerwillig ihr Zimmer aufzuräumen. Während ihrer Aufräumaktion findet sie den Teddy, der verstaubt unter dem Bett liegt, und erinnert sich an den einstigen Seelentröster zurück. Nach einem kurzen Moment des Innehaltens beginnen die beiden zu tanzen. Marie kehrt in die fast vergessene Traumwelt zurück, die im zweiten Akt nun etwas dunkler und düsterer ist, was durch eine entsprechende Lichtgestaltung und stimmige Zitate passend in Szene gesetzt wird (Bühnenbild: Konstantin Hoppe). Diesmal muss sich Marie auch im Traum mit ihrer Realität auseinandersetzen. Sie trifft auf quirlige Schulranzen, flüchtige Schatten, verunsichernde, nicht greifbare Versuchungen, schaurig-schimpfende Hexenmütter, Spiegel, die Marie zwingen, sich mit ihrem eigenen Ich auseinanderzusetzen, und auf einen tanzenden Wecker, der das Mädchen aus ihrem Tagtraum wieder reißt.
Im dritten Akt ist aus dem pubertierenden Mädchen eine junge Frau geworden, die im Traumland in ihre eigenen Gedanken und Sehnsüchte eintaucht. Das Pas des Deux mit Marie (Nina Geiger) und ihrem „Traumprinzen“ (Konstantin Hoppe) ist einer der emotionalen Höhepunkte des ganzen Abends, da die beiden Tänzer, umrahmt durch das Ensemble, Maries Sehnsucht nach Liebe in sehr ausdrucksstarken Bewegungen auf die Bühne bringen. Als im letzten Tanz Maries inneres Erleben zu den Klängen von Edgar Allan Poes Gedicht „Traum im Traume“ spannungsvoll vertanzt wird, verschwimmen am Ende geradezu die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit. Die Macher des Stücks hatten sich zum Ziel gesetzt, die Zuschauer auf eine magische Reise durch Maries Traumwelten mitzunehmen. Wie ansehnlich ihnen das zusammen mit den äußerst engagierten Tänzerinnen und Tänzern gelungen ist, belegte der begeisterte Applaus des Publikums.
Kathrin Kratzer