Wohnen ist nicht gleich Wohnen

von Dr. Mathias Grandel, Fachanwalt für Familienrecht

Sonja und Stefan S. hatten gerade ihr Haus abbezahlt als ihre Ehe in die Krise geriet und es zur Trennung kam. Herr S. zog aus dem gemeinsamen Haus aus und konnte in eine Wohnung einziehen, die seinen Eltern gehört. Seine Eltern verlangen keine Miete von ihm. Frau S. wohnte weiter im gemeinsamen Haus
Bei der Berechnung des Trennungsunterhalts verweist Herr S. darauf, dass seine Frau ja mietfrei im gemeinsamen Haus wohne und sie sich die ersparte Miete als sogenannten Wohnwert wie Einkommen zurechnen lassen müsse.
Frau S. argumentiert dagegen, dass sie zwar keine Miete, dafür aber die ganzen Betriebskosten für das gemeinsame Haus (Heizung, Strom, städtische Gebühren, Versicherungen) bezahle und dies zu berücksichtigen sei. Denn ihr Ehemann müsse als hälftiger Eigentümer der Immobilie schließlich davon eigentlich auch die Hälfte übernehmen.
Außerdem bezahle ja auch ihr Ehemann keine Miete für die Wohnung der Eltern, sodass sich das kostenlose Wohnen sowieso gegenseitig ausgleiche.
Es ist nicht so, wie Frau S. meint: Es ist ein Unterschied, ob ein Ehegatte in einer Immobilie wohnt, die einem Ehegatten allein oder beiden gemeinsam gehört oder ob er in einer Wohnung wohnt, die seinen Eltern gehört.
Frau S. muss sich einen Wohnwert wegen ersparter Mietkosten bei der Unterhaltsberechnung zurechnen lassen. Dadurch erhöhen sich ihre unterhaltsrelevanten Einkünfte. Dies führt zu einer Verringerung ihres Unterhaltsanspruchs. Die Nebenkosten, die sie bezahlt, kann sie nicht gegenrechnen. Denn dabei handelt es sich um allgemeine Lebenshaltungskosten, die für die Unterhaltsberechnung keine Rolle spielen. Sie muss alle Betriebskosten selber tragen, die auch auf einen Mieter umlegbar wären. Dazu gehören fast alle Nebenkosten.
Ihr Ehemann wird sich im Regelfall keinen Wohnwert anrechnen lassen müssen. Dass seine Eltern ihn mietfrei in ihrer Wohnung wohnen lassen, ist eine andere Fallkonstellation. Die Eltern lassen ihren Sohn allein deshalb mietfrei wohnen, weil sie ihm etwas zuwenden wollen und nicht, damit sich der Unterhaltsanspruch der Ehefrau erhöht. Beide wohnen mietfrei, aber mit unterschiedlichen Auswirkungen auf die Unterhaltsberechnung.

Dr. Mathias Grandel
Fachanwalt für Familienrecht, Augsburg
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