Zum Tag des offenen Denkmals: Nur vom Turmfalken gab es keine Spur |
Da strahlte nicht nur die Sonne: Rund 250 Besucher strömten am Tag des offenen Denkmals zum Wasserturm in Stadtbergen und nutzten die einzigartige Gelegenheit, das rund 100 Jahre alte Gebäude im Stil der späten Gründerzeit zu besichtigen. Zu ihnen gesellte sich auch Stadtbergens erster Bürgermeister Dr. Ludwig Fink. In seinem Grußwort stellte der Rathausschef die erstmalige Beteiligung Stadtbergens an der Aktion, „die uns die Vergangenheit näher bringt und die Gegenwart besser verstehen lässt“, heraus und erläuterte die aktuellen Nutzungsverhältnisse. Demnach ist die JRS Finanzmandate AG, ein bankenunabhängiges Dienstleistungsunternehmen mit Schwerpunkt Rentenplanung, Altersvorsorge und Vermögensverwaltung, seit nunmehr 13 Jahren Mieter des Gebäudes.Wie Christian Jenne, einer der vier Firmeninhaber erklärte, geht das Bauwerk auf den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück, als in Stadtbergen die Errichtung einer öffentlichen Wasserversorgung anstand. Das bis dahin genutzte Wasserbecken am südwestlichen Dorfrand hatte sich im Zuge der zunehmenden Industrialisierung im nahen Augsburg und des damit verbundenen Bevölkerungswachstums nämlich als unzureichend erwiesen. Im August 1908 erteilte die Gemeinde schließlich an das Ingenierbüro Bernheimer den Auftrag, ein Pumpenhaus, einen Wasserturm sowie diverse Rohrgraben und -leitungen zu errichten. Die Baukosten beliefen sich auf 38.000 Mark. Doch schon bald war diese Anlage unterdimensioniert, so dass im Jahre 1935 ein unterirdisches Betonbecken in rund ein Kilometer Entfernung gebaut wurde. Bereits zu Kriegszeiten diente der Turm kaum mehr der Wasserversorgung, sondern vielmehr als Schutzraum für die Kinder aus Pfersee, da er als Angriffsziel – so vermutete man – nur wenig in Betracht kam. Nachdem Stadtbergen 1960 schließlich an die Augsburger Wasserversorgung angeschlossen wurde, verfiel der Turm zusehends, bis im Jahre 1984 – kurz vor dem Abriss – das Architekturbüro Kunz & Partner das marode Bauwerk kaufte und in mühevoller Arbeit, unter strenger Einhaltung der Auflagen, sanierte. Der Denkmalschutz trifft auch die heutigen Mieter. „Wir müssen jedes Jahr die Fenstersimse renovieren, da sich das Holz bei Temperaturschwankungen ausdehnt beziehungsweise zusammenzieht und wir keine Silikonfugen verbauen dürfen“, erzählte Jenne den Besuchern, die bei der Turmbegehung auf Empfehlung der Hausherren die Berührung mit den Wänden vermieden. Statt des üblichen Dispersionsanstrichs findet sich dort nämlich der in den Auflagen vorgeschriebene Kalk, der weiße Spuren auf der Kleidung hinterlassen kann. Eine „Entschädigung“ hierfür bot jedoch die sensationelle Aussicht über ganz Stadtbergen, welche die Besucher von der zinnengekrönten Dachterrasse aus sichtlich genossen. Nur vom Turmfalken gab es keine Spur. Der hatte sich angesichts des großen Andrangs wohl in den nahe gelegenen Wald geflüchtet. Text/Bilder: Daniela Ziegler