Augsburg, Prag, aber vor allem natürlich Salzburg und Wien rühmen sich gerne als Mozartstädte. Umso erstaunlicher ist es, dass ausgerechnet Leitershofen – vor mehr als 500 Jahren noch ein von Stadtbergen unabhängiges Örtchen – die „Mozart-Kugel“ ins Rollen brachte. Und damit ist nicht das Zuckerwerk gemeint.
Die Erfolgsgeschichte der berühmten Familie mit ihren schwäbischen Wurzeln hat nun Dr. Heinz Münzenrieder, ehemals Stadtdirektor von Augsburg und seit etwa 30 Jahren an der Spitze der AWO Schwaben, bei einem Lichtbild-Vortrag im AWO-Haus der Familie in Stadtbergen nachgezeichnet. Die Veranstaltung war Teil einer Mozart-Reihe der Stadt Stadtbergen. „Wir wollen mit dieser Reihe den 300sten Geburtstag von Leopold Mozart aktiv gestalten. Stadtbergen ist die älteste Mozartstadt“, erläuterte Bürgermeister Paulus Metz zur Einführung in den Vortrag.
Fein perlende Mozart-Hörproben lieferten Benedikt Widmann (Kontrabass), Hannah Hübner (Geige) und Carla Dittrich (Piano) – junge Musiktalente, die zum Teil auch im LechWertach-Orchester von Wolfgang Scherer spielen.
Woher kommt also der Wunderknabe Amadeus, der zu seinen Lebzeiten ganz Europa verzauberte und sich zugleich in seinen ausgelassenen Briefen an das „Bäsle“, seine Cousine aus Augsburg, gerne mal als „Sauschwanz“ bezeichnete? Hans hieß der erste historisch belegbare Vorfahre. Dieser Hans Motzhart lebte zwischen 1504 und 1569 in Leitershofen, besaß dort ein landwirtschaftliches Anwesen und war von Beruf Zimmermann.
Die Leitershofer Familien Seitz – seine direkte Nachkommen – sind heute noch Besitzer der ehemaligen Mozartsölde an der Weidenstraße. Das Häuschen wurde 1897 neu gebaut und im vergangenen Jahr abgerissen. Wie Münzenrieder aber klarstellte, muss das Stammhaus der berühmten Mozart-Linie in Heimberg, heute ein Gemeindeteil des Marktes Fischach, gelegen haben. Wie sonst ließe sich erklären, dass der damalige Pfarrer von Leitershofen alle Urkunden des besagten Hans Motzhart mit der Anmerkung „ein Heimberger“ versah? 1606 jedoch führten Berufswünsche den Urenkel David Motzhart weg von Leitershofen. Er zog nach Pfersee (damals noch selbstständig) und wurde Bauhandwerker. Dessen Sohn wiederum, ebenfalls mit Namen David, zog 1635 nach Augsburg, wo er wahrlich große Pläne schmiedete. Er stieg bis zum Barockbaumeister auf. Mit ihm hielt erstmals die Kunst Einzug in den Mozart-Stammbaum. Einer seiner Söhne, Hans Georg, wurde sogar Domkapitelbaumeister und war als solcher für 27 große Bauprojekte verantwortlich, darunter auch das einstige Bräuhaus in Stadtbergen, das zu jener Zeit zum Domkapitel gehörte. Dessen Nachkomme Johann Georg ergriff allerdings lieber den Beruf des Buchbinders. Gut situiert und der Ansammlung von Wissen nicht abgeneigt, ermöglichte dieser seinem Sohn Leopold (geboren 1719, vor 300 Jahren also) eine ausgezeichnete Ausbildung am renommierten Augsburger Jesuitenkolleg St. Salvator.
Leopold las viel und gerne, am liebsten Musiknoten. Um sich ganz dieser Kunst zu widmen, zog er 1737 nach Salzburg, blieb aber Augsburg verbunden. 1777 hielt er in der Fuggerstadt ein öffentliches Konzert ab. Vom dünkelhaften Publikum zeigte sich der Musiker allerdings wenig begeistert: „Es war eine Menge Nobleße da, die Ducheße arschböhmerl, die gräfin brunzgern, und dann die fürstin riechzumtreck…“.
1756 erblickte schließlich sein Sohn Wolfgang Amadé Mozart die Welt, jener Wunderknabe, der von brennendem Ehrgeiz gepackt war, nie eine Schule besuchte, alles vom Vater lernte, aber auch vieles gegen dessen Willen tat. „Der Rotzlöffel tut sich keinen Gefallen“, soll der Vater geschimpft haben.
Und die Moral von der Familiengeschicht‘? „Ohne Leitershofen gäbe es keinen Amadé. Und man kann seinem Vater Leopold gar nicht genug danken. Förderung und Bildung sind auch heute noch das Allerwichtigste“, sagte Münzenrieder am Ende seines Vortrags. Und Bürgermeister Metz ergänzte: „Man sieht außerdem: Zielstrebigkeit wird belohnt. Und die Kinder haben schon damals nicht gefolgt.“
Daniela Ziegler