von Maria Kränzle (ehemalige Rektorin) und Elisabeth Häring
Im August 1092 legte die Gemeinde Pfersee unter Bürgermeister Lutz dem kgl. Bezirksamt in Augsburg Planentwürfe zu einem Schulhausneubau in der Kurzen Angerstraße vor. Die Vorlage enthielt 2 Planentwürfe, einmal von Anton de Crignis und zum anderen von S. Müllegger (Baukosten 97.484,38 Mark). Anton de Crignis bekam den Zuschlag.
Der Neubau war nötig geworden, weil die Schülerzahl auf 981 angewachsen war. In den beiden Schulhäusern an der Fröbelstraße 13 und 15 (abgerissen 1981) standen nur 6 Säle mit je 120 (!) Plätzen zur Verfügung.
Ein imposanter Bau
Nach einer Bauzeit von nur 13 Monaten wurde das Mädchenschulhaus am 4. 12. 1904 feierlich eingeweiht. Die Baukosten beliefen sich auf 149.655,11 Mark. Hinzu kamen 10.000 Mark für eine Dampfheizung, 333 Mark für elektrisches Licht und 1.800 Mark für Grunderwerb.
Den Unterricht übernahmen Franziskanerinnen des Sternklosters, die schon seit 1899 die unteren drei Mädchenklassen an der Fröbelstraße unterrichteten.
Ein Zeitungsartikel rühmt den „imposanten Bau, der eine Zierde unserer Gemeinde genannt werden kann“. Wenn man das Eingangstor durchschritten hatte, fand man 12 Schulsäle, ein Konferenzzimmer, ein Archiv, eine in einem eigenen Anbau untergebrachte Abortanlage, eine Hausmeisterwohnung und im Keller einen Karzer für böse Mädchen.
Schon damals fühlten sich die Pferseer stark zu Augsburg hingezogen. Ein Leserbrief vom 4. 2. 1905 schließt mit den Worten: „Die Eingemeindung wäre noch einen Schulpalast wert“.
Am 31. 12. 1910 fand die Eingemeindungsfeier dann auch wirklich im Mädchenschulhaus statt. Es war bereits um 3 Säle erweitert worden. Die Kurze Angerstraße hieß nun Spicherer Straße. Der Schuljahresbeginn wurde auf Herbst gelegt, die Sommerschule aufgehoben und die Einführung der 8. Klasse zuerst für die Knaben angeordnet. Noch einmal erweitert wurde das neue Schulhaus 1913, und zwar im Westen um acht Säle und um eine Turnhalle.
61 Mio. für Renovierung
Im und nach dem 1. Weltkrieg war die Knappheit der Rohstoffe, auch in den Schulsälen zu spüren. Immer wieder wurde geklagt, dass die Raumtemperatur in den Schulsälen auf 11 Grad C° absänke. Die Folgen der Inflation von 1923 zeigten sich auch bei den Renovierungskosten der Hausmeisterwohnung. Im August wurden dafür 61 Millionen Mark veranschlagt. Im Oktober stiegen die Kosten auf 920 Millionen Mark.
1937 wurden von Staats wegen 16 Ordensfrauen aus dem Schuldienst entlassen.
Am 1. Oktober 1945 begann das erste Nachkriegsschuljahr. Das Schulhaus befand sich in einer unbeschreiblichen Verfassung. Der Ost- und Südflügel waren zerstört, sämtliche Fensterscheiben zersplittert, Türen zerfetzt und die meisten Dachplatten beschädigt. Von den acht noch vorhandenen Schulsälen waren vier anderweitig belegt. In vier Schulsälen sollten 1.243 Schüler in 27 Jahrgängen von 13 Lehrkräften unterrichtet werden. Nach achtjähriger Unterbrechung wurden wieder fünf klösterliche Lehrerinnen eingesetzt. Die Leiterin der Schule beschließt ihre Aufzeichnungen für das Schuljahr 1945/46 mit den Worten: „Die Unterrichtsarbeit war erschwert durch große Lücken im Wissen und Können der Kinder, Mangel an Schulbüchern und Schulheften, durch Schulversäumnisse wegen Schuhmangels. Starker Wille und stramm gütige Führung traten der Ehrfurcht- und Zügellosigkeit der Jugend nicht ohne Erfolg entgegen“.
1946/47 besserte sich die Lage kaum, da alle Kinder Pfersees die Spicherer Schule besuchten mussten. Behelfsschulräume waren in der Wittelsbacher Schule und im Gasthof Linde.
Das Schuljahr 1947/48 brachte die Fertigstellung von weiteren Schulsälen im wiederhergestellten Südflügel. Der Unterricht verlief fast ohne Unterbrechung, allerdings musste im Winter oftmals bei einer Raumtemperatur von 5 – 7 Grad C° unterrichtet werden, da Heizmaterial fehlte.
Die sechs evangelischen Klassen bekamen eine eigene Schulleitung.
Zu Beginn des Schuljahres 1948/49 besuchten zwar noch immer alle Kinder Pfersees die Spicherer Schule, jedoch wurde eine Trennung der Sprengel durchgeführt mit je eigener Schulleitung.
Laut Regierungsentschließung 840 vom 22. 8. 1950 wurde die Schule an der Spicherer Schule wieder eine reine Mädchenschule. Ausnahmsweise jedoch besuchten aus verkehrstechnischen Gründen die kath. Knaben der 1. und 2. Klasse, die nördlich der Augsburger Straße wohnten, die Schule an der Spicherer Straße, die kath. Mädchen der 1. und 2. Klasse, die südlich der Augsburger Straße wohnten, die Hans-Adelhoch-Schule.
Mit Beginn des neuen Schuljahres 1967/68 wurde unsere 7. Klasse infolge der zu geringen Schülerzahlen der Wittelsbacher Schule eingegliedert. Wegen des längeren und nicht ungefährlichen Schulwegs durch den Wittelsbacher Park stieß diese Verfügung des Schulamtes auf nicht geringen Widerstand bei den Schülereltern. Auch die Einwände der Schulleitung und der zuständigen Lehrkräfte halfen nicht. Mit dem Schuljahr 1968/69 ging die bisherige Volksschulform zu Ende. Es wurde auch die Spicherer Schule als katholische Bekenntnisschule im Zuge der Volksschulreform in Bayern um 1. 8. 69 durch Rechtsverordnung aufgehoben. An ihrer Stelle trat ab 1. 8. 69 eine Grund- und Teilhauptschule 1 mit den Klassen 1 – 6. Am 1. 9. 1970 wurde die klösterliche Schulleitung abgelöst.
Zu Beginn des Schuljahres 1973/74 konnten im Keller des Westtraktes zwei neu renovierte Räume bezogen werden, ein Handarbeitssaal und ein Filmsaal. Durch die Verlegung des Handarbeitssaales in den Keller wurde im ersten Stock ein Klassenraum frei.
Die Räume waren bitter nötig, denn an der Spicherer Schule entstanden zwei Modellklassen für Kinder griechischer Arbeitnehmer. Täglich brachten Eltern, Onkel, Tanten oder alle zusammen griechische Schüler und schließlich saßen 65 Knaben und Mädchen der Jahrgänge 1 mit 4 in Saal 16. Unterrichtet wurden sie von Aglaia Zissopoulou, die rechtzeitig aus Athen gekommen war. Am 23. Oktober 1974 übernahm ein weiterer Lehrer die Jahrgänge 3 und 4. Der Unterricht für die Kinder erfolgte in ihrer griechischen Muttersprache. Von deutschen Lehrkräften erhielten sie in drei Gruppen Deutschunterricht.
Im Sommer 1979 wurde schließlich ein Teil der Grünfläche des Schulhofes zu einer Allwetter-Sportanlage mit Sprunggruben, Hochsprunganlage und fünf Laufbahnen umgestaltet.
Weil immer mehr türkische Kinder im Sprengel der Spicherer Schule wohnten, wurden die griechischen Klassen verlegt und türkische muttersprachliche Klassen eingerichtet. Die ausländischen Kinder bereicherten mit Tänzen, Singspielen und Liedern aus ihrer Heimat die Veranstaltungen der Spicherer Schule.
Weiterhin blieben der Schule Renovierungsarbeiten treu; schließlich verfügte das Schulhaus über 16 hohe, helle Schulsäle und die erforderlichen Fachräume. Auch der Verwaltungsbereich erfuhr im Laufe der Zeit räumliche Verbesserungen.
Zum Schluss sei noch auf den Namen der Schule hingewiesen. Die Spicherer Höhen liegen Saarbrücken gegenüber auf französischem Boden. Sie waren am 6. August 1870 Schauplatz einer blutigen Schlacht zwischen preußischen Regimentern und Truppen der französischen Rheinarmee. Auch im 2. Weltkrieg war Spichern ein umkämpfter Platz.
Heute kann der Name der Schule nur als Mahnung zum Frieden verstanden werden.