Schweigen ist Gold: Ihre Rechte, wenn gegen Sie ermittelt wird Teil 1

Schweigen ist Gold:
Ihre Rechte, wenn gegen Sie ermittelt wird  
Teil 1


Gegen einen persönlich oder Familienangehörige gerichtete polizeiliche Ermittlungen erleben die meisten Menschen ausgesprochen selten.
Dennoch ist es, für den Fall der Fälle, wichtig zu wissen, wie man sich in einem derartigen Fall am Besten zu verhalten hat. Nach der Vorgehensweise für den Fall, dass in einem Ordnungswidrigkeiten- oder gar Strafverfahren gegen einen ermittelt wird, erkundigten wir uns bei Rechtsanwalt Hans Ulrich Heinlein, einem seit 20 Jahren tätigen Rechtsanwalt, der sowohl Fachanwalt für Straf- wie auch für Verkehrsrecht ist.
Augsburger Südanzeiger: Wie verhalte ich mich optimal, wenn gegen mich in einem Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren ermittelt wird?
RA Heinlein: Schweigen ist Gold! Das wirklich allerwichtigste ist eigentlich immer zunächst von seinem gesetzlich normierten Schweigerecht Gebrauch zu machen.
Erstaunlicherweise wissen wohl viele Bürger nicht, dass es ihr gutes Recht ist, auf sämtliche Fragen der Ermittlungsbehörden, seien es Polizeibeamte, Mitarbeiter des Zolls oder der Steuerfahndung ganz einfach zu schweigen.
Statt dieses Schweigerecht zu nutzen, flüchten sich viele Personen, gerade wenn sie Grund für ein schlechtes Gewissen haben, in wortreiche, meist nicht sonderlich glaubwürdige und leicht zu durchschauende Erklärungsversuche.
Aber selbst Personen, die keinerlei Grund für ein schlechtes Gewissen zu haben brauchen, sollten bei jeglicher Befragung durch Ermittlungsbehörden besser Schweigen.
Dies sei mit folgendem Beispiel verdeutlicht:
Zwei Verkehrsteilnehmer geraten jeweils als Autolenker bei der Teilnahme am Straßenverkehr in eine Auseinandersetzung, in welcher beide Parteien meinen, jeweils vom anderen ausgebremst, genötigt oder in sonstiger Weise gefährdet oder beleidigt worden zu sein.
Wenn nunmehr einer der beiden sich daraufhin zu einer Polizeidienststelle begibt, um dort seine, nicht unbedingt wahre, den anderen Verkehrsteilnehmer jedoch stark belastende und durch einen „guten Kumpel“ als Zeugen womöglich auch noch bestätigte Version der Geschichte zum Besten gibt, so wird die Polizei gezwungenermaßen gegen den anderen Verkehrsteilnehmer ermitteln, welcher durch den Anzeigeerstatter möglicherweise fälschlich belastet wurde.
Im weiteren Verlauf ist dann folgende Situation nicht unwahrscheinlich:
Kurze Zeit nach der Anzeigeerstattung wird ein Streifenwagen der Polizei bei dem Angezeigten vorfahren. Die Polizeibeamten werden klingeln und der durch andere belastete Verkehrsteilnehmer wird die Tür öffnen. Die Polizeibeamten werden sich vorstellen und informatorisch fragen wer die angetroffene Person ist und ob diese mit dem Pkw, Kz. A-XY … vor einer halben Stunde auf der Autobahn A 8 von München her nach Augsburg gefahren sei.
Diese Frage wahrheitsgemäß zu bejahen oder ebenso wahrheitsgemäß darauf zu verweisen, dass man nicht selber Lenker sei, sondern dass die Ehefrau, der Sohn oder ein sonstiges Familienmitglied mit dem Fahrzeug gefahren sei, würde bei der vorliegend geschilderten Fallkonstellation schon einen dramatischen Fehler darstellen.
In der Folge stünde nämlich fest, wer Lenker des Pkws zum Zeitpunkt des von den Insassen des anderen Pkws fälschlicherweise angezeigten Vorfalles war.
Dieser Pkw-Lenker (man selbst oder ein Familienmitglied) würde in der Folgezeit selbstverständlich auf die Fragen der Polizeibeamten antworten, „Ja es stimmt, ich bin gefahren, aber der Vorfall hat sich ganz anders zugetragen…“. Nach meiner langjährigen Erfahrung hätte eine derartige Verteidigung jedoch nur wenig Aussicht auf Erfolg, da die ursprünglichen Anzeigeerstatter durch die Justiz als Zeugen angesehen werden, welche von Gesetzes wegen nicht lügen dürfen, während die angezeigte Person, deren Fahrereigenschaft fest steht, als Beschuldigter grundsätzlich auch lügen darf.
Dies wiederum hat zur Folge, dass in sehr vielen Fällen die Richterinnen und Richter, die über solche Fälle zu entscheiden haben, oft dazu neigen, den Anzeigeerstattern zu glauben (diese dürfen ja nicht lügen) und im Gegenzug der Aussage der angezeigten Person keinen Glauben zu schenken.
Die Folge wäre mit allergrößter Wahrscheinlichkeit eine Verurteilung wegen der durch die anderen Verkehrsteilnehmer angezeigten Tat.Augsburger Südanzeiger: Und was würde sich ändern, wenn vom Schweigerecht Gebrauch gemacht wird?
RA Heinlein: Dann sehe die Angelegenheit völlig anders aus.
Wenn die befragte Person konsequent, von Anfang an keinerlei Angaben zur Sache und somit nicht einmal zum Pkw-Lenker macht, sondern nur freundlich aber bestimmt darauf verweist, dass man eben keine Angaben machen möchte, sondern sich zunächst mit einem Anwalt beraten möchte und sich auch hiervon durch nachdrückliches Drängen der Ermittlungsbeamten nicht abbringen lässt, wäre zunächst schlicht nicht nachvollziehbar, wer den Pkw gelenkt hat.
Wenn der Vorfall sich dann wie im hier geschilderten Beispiel während der Dunkelheit ereignet hat, wird eine Feststellung des Fahrers auch durch Befragung der Anzeige erstattenden „Zeugen“ zu keinem Ergebnis führen, da das Erkennen eines Pkw-Lenkers in einem anderen Fahrzeug bei Dunkelheit im fließenden Verkehr nahezu ausgeschlossen sein wird.
In diesem Fall wäre mit einer Einstellung eines Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahrens nahezu mit Sicherheit zu rechnen.
Es gilt also in diesem Fall den reflexartig vorhandenen Wunsch, gerade einer unschuldigen Person, sich zu rechtfertigen und den eigenen Standpunkt darzulegen um des Ergebnis Willens zu unterdrücken und schlichtweg nichts, aber auch gar nichts zu sagen, stattdessen höflich aber bestimmt darauf zu verweisen, dass man von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen möchte.
(Teil 2 des Interviews in der nächsten Ausgabe des Augsburger Süd-Anzeigers)