„Schulzeit unter schrecklichen Kriegsverhältnissen …“: Klassentreffen der heute 70-jährigen aus und in Stadtbergen

„Schulzeit unter schrecklichen Kriegsverhältnissen …“Klassentreffen der heute 70-jährigen aus und in Stadtbergen


„Der Anlass unseres heutigen Treffens ist die Tatsache, dass wir nun alle 70 Jahre alt sind“ so Hildegart Mayer in ihrer Begrüßung der ehemaligen Mitschüler und Mitschülerinnen beim Klassentreffen im Deuringer Hof am 26. August 06. Sie habe 29 Ehemalige angeschrieben, von 28 Antwort bekommen und darunter nur drei Absagen, berichtete sie. Sechs der früheren Klassenkameraden galt das Totengedenken zu Beginn des Klassentreffens.„Stadtbergen, unsere Heimatgemiende, ist ja bekanntlich der wichtige Nabel der Welt; da aber auch Stadtbergen vom Lauf der Geschichte nicht verschont wurde, war unser Geburtsjahr 1936 und unsere frühe Kindheit leider keine heile Welt gewesen …“, ließ Hildegart Mayer die fernere Vergangenheit Revue passieren, die Jahre der Kindheit im Kontext weltwichtiger Ereignisse: August 1936 ordnet Reichskanzler Adolf Hitler an, die Armee müsse binnen 4 Jahreneinsatzfähig und die die Wirtschaft kriegsfähig sein, die Hitlerjugend wurde zur Staatsjugend erklärt, in Berlin wurden die XI. Olympischen Sommerspiele abgehalten. König Edward VIII verzichtete auf seine ihm zustehende Königskrone. Anhand zahlreicher Geburtsjahr-Genossen, wie Uwe Seeler, Rex Guildo, Silvio Berlusconi, Roger Wittaker, die Kessler-Zwillinge und anderer Berühmtheiten bewies Hildegart Mayer die hohe Bedeutung de Jahrgangs 1936. Dann rief sie allen die gemeinsamen Erlebnisse in Stadtbergen in Erinnerung: „Mitten im Krieg fand unsere Schuleinschreibung statt, im HJ-Heim an der Horst-Wessel-Straße, der heutigen Schubertstraße. Lehrerin der ersten, sowie des ersten Halbjahres der zweiten Klasse war Frau Rossmann. Sodann bekamen wir Frau Walter … bei ihr standen wir jeden Morgen mit erhobener Hand in der Bank und sangen Flamme empor … Im Schuljahr 1943/44 erfolgte unser Umzug ins alte Schulhaus, unsere Lehrerin war jetzt Frau Binder. Die dritte Klasse fand fast gar nicht statt: wegen der Fliegerangriffe war kaum Unterricht, wir hatten viele Kinder aus Augsburg, die wegen der Bombenangriffe bei Gastfamilien in Stadtbergen wohnten. Die Pause fand damals auf der Straße oder im Friedhof statt; wir bekamen auch gar kein Zeugnis.“ Beifälliges Nicken rings im Raum zeigte, dass sich die Zuhörer noch alle gut an diese Zeit erinnerten und auch an die Jahre danach, mit denen Hildegart Mayer fortfuhr: „Als 1945 der Krieg aus war, bekamen wir wieder richtigen Unterricht, bei dem jungen Lehrer Stiegele, der gerade aus dem Krieg zurückgekehrt war und uns richtig etwas beibrachte. Eine Pressemitteilung aus damaliger Zeit schilderte die Situation wie folgt: Das Land liegt in Trümmern, die Menschen kämpfen ums Überleben, die Gesellschaft ist aus den Fugen geraten. Viele Familien müssen sich nach der Vertereibung neu zurechtfinden. Und die Kinder? Sie sind dem Chaos ausgeliefert, das aus ihrer Sicht durchaus seine schönen Seiten haben kann. Es bedeutet Freiheit und Abenteuer; niemand kümmert sich in den letzten Kriegsmonaten um sie, die meisten Schulen haben ihren Betrieb längst eingestellt …“ Dass auch in Stadtbergen die Situation schwierig war, zeigt ein Zitat aus der Stadtberger Chronik. Unter dem 12.12.1945 steht: Heute ging der Kohlevorrat für die Schulöfen zu Ende. Die Winterfenster,konnten wegen Materialmangels noch nict wieder instand gesetzt werden. Deshalb herrscht in den Schulsälen so starke Kälte, dass der Unterricht stark verkürzt werden muss. Unter dem 17.4. 1946 steht, dass eine auf Anordnung des Bezirksschulamtes durchgeführte Lumpensammlung 1076 kg Lumpen erbrachte, dass etwa 70 % der Kinder unterernährt sind aber bei der von den Amerikanern eingeführten Schulspeisung nur dreiviertel der Kinder bedacht werden konnten. Ab der 6. Jahrgangsstufe wurden Buben und Mädchen getrennt, die Buben von Herrn Rommel und die Mädchen von Frau Rinn unterrichtet.„In der 8. Klasse konnten wir in den neu erbauten Schulpavillon an der Osterfeldstraße umziehen und noch ein Jahr die Annehmlichkeiten des am 5. September 1949 eingeweihten Schulgebäudes genießen“ beendete Hildegart Mayer ihren Rückblick. Sie stellte fest, dass viele Schüler von damals ihrer Heimatgemeinde treu geblieben sind und von ihrem Jahrgang noch 19 in Stadtbergen wohnen oder nach Jahren wieder hierher zurückgekehrt sind. Auch sei es selten, dass ein Schülerjahrgang nach so vielen Jahren noch einen solchen Zusammenhalt verzeichnen könne. Unter dem Applaus ihrer ehemaligen Klassenkameradinnen und Kameraden schloss sie: „Ich persönlich finde es bemerkenswert, dass auch aus uns etwas geworden ist, obwohl wir unsere Schulzeit unter diesen schrecklichen Kriegsverhältnissen absolviert haben.“