„Ja Buaba, dös ka ma fei it so lossa!“: Kindheitsgeschichten aus der Nachkriegszeit in Stadtbergen (1945-1955) 23. Fußballfans

„Ja Buaba, dös ka ma fei it so lossa!“: Kindheitsgeschichten aus der Nachkriegszeit in Stadtbergen (1945-1955) 23. Fußballfans


In unserer Kindheit hatte Augsburg zwei große Fußballvereine, die in der Süddeutschen Fußballoberliga spielten, den BCA und Schwaben Augsburg. Der BCA spielte in den Farben blau und weiß, die Schwaben wurden die “Violetten“ genannt, weil sie zum Spiel in violetten Hemden und weißen Hosen antraten.Wir drei jüngeren Brüder waren Anhänger des BCA und besuchten, wenn das Taschengeld reichte alle 14 Tage das Heimspiel des BCA in Oberhausen. Unser ältester Bruder war Schwaben-Fan und ging alleine zu den Heimspielen ins Schwabenstadion an der Haunstetter-Straße. Natürlich wurde das Fahrgeld bei den Stadionbesuchen eingespart, der Fußmarsch war selbstverständlich. Der weite Weg machte uns im Gegensatz zu den Kirchgängen nach St. Michael in Pfersee nichts aus. Die Spiele fanden immer am Sonntagnachmittag um 14.30 Uhr oder 15.00 Uhr statt. Durch den Stadionbesuch entgingen wir dem obligatorischen Familienspaziergang zum Kappberg, Nervenheil, Panzerkessel, Ziegelstadel und zurück. Dieser Vorteil war nicht zu verachten. Im BCA-Stadion trafen wir viele Schulkameraden, die sich zu einer lautstarken Fangemeinde zusammenrotteten. Jugendliche banden sich einen Bauchladen um und boten Coca Cola an. Die Prügelbrauerei hatte wohl eine Verkaufslizenz für Bier. Ihre Verkäufer brüllten: „Wer wünscht noch Prügel?“ Wir nicht, und auch das Cola war aus Geldmangel nichts für uns. Im Vorspiel trat oft die erste Schülermannschaft des BCA auf. Hier wirbelte ein kleiner. blonder Junge, dessen Trikothemd fast bis zum Boden reichte über das Feld und ließ seine Mitspieler und Gegner schlecht aussehen. Es war Helmut Haller, genannt “Hemad“, Augsburgs späteres großes Fußballidol, das mit seinen Kabinettstückchen die Zuschauer begeisterte. Wir wünschten uns ein wenig von seinem Talent, aber dabei blieb es auch.Die Spielernamen des BCA beherrschten wir besser als das Einmaleins: Behner, Mahn, Hilner, Roos, Schlump, Platzer, Dormeier, Biesinger ….Bei Schwaben kannten wir nur den Torwart Franz Süßmann und Peter Struzina. Dieser war im Hauptberuf Metzger. Sein Name prangt noch heute über einem Wurststand auf dem Stadtmarkt.Der BCA lag in der Regel im mittleren Tabellenbereich vor den Schwaben. Hatte er ein Heimspiel, dann mussten die Schwaben auswärts antreten. Enttäuschung, Freude und Schadenfreude, je nach Spielverlauf, bestimmten unter uns Brüdern die Gespräche am Sonntagabend. Mit hässlichen Bemerkungen wurde der Schmerz bei Spielverlust gegenseitig gesteigert. Mir hat mein ältester Bruder immer etwas leid getan, weil er als Schwabenfan einsam zum Stadion ziehen und bei Spielverlust den Schmerz darüber allein tragen musste. Nur bei den Derbys zogen wir gemeinsam in das jeweilige Stadion. Dann lief er mit ausreichendem Abstand, angetan mit allen Insignien eines jungen Erwachsenen mit Herrenhut, Mantel, langen, fein gebügelten Hosen, genüsslich an einer Zigarette saugend vor uns her, während wir drei jüngeren Brüder mit Anoraks, grünen Cordknickerbockern fröhlich lachend und lärmend hinter ihm hertrotteten, nichts als Blödsinn im Kopf.Wenn die Schwaben das Spiel verloren, musste er unseren dreifachen Spott ertragen und das wurmte ihn sehr. Er ließ sich zwar nichts anmerken, wir aber spürten, wie sehr ihn die Sache schmerzte. Als wir schon erwachsen waren fragte ich ihn einmal, warum er denn überhaupt Schwaben-Fan gewesen sei. Die Antwort war sehr plausibel: „Eigentlich war ich wie ihr BCA-Fan. Ich hatte aber keine Lust, mit euch drei läppischen Deppen herumzulaufen. Drum musste ich mich als Schwaben-Fan tarnen.!“ Ja, alles hat seinen Preis. Dann eben Spott und Hohn.(Weitere Geschichten von Winfried Hierdeis in den nächsten Ausgaben des Stadtberger Boten)