Ihre Rechte im Schadensfall Teil 2

Ihre Rechte im Schadensfall Teil 2
In einen Unfall verwickelt zu werden, erleben die meisten Autofahrer zum Glück recht selten. Umso ratloser sind sie deshalb , wenn es doch einmal passiert. Nach den haftungs- und schadenersatzrechtlichen Aspekten eines Unfalls erkundigten wir uns bei Rechtsanwalt Günter Gollman, einem Experten für Verkehrs- und Versicherungsrecht.


Augsburger Süd-Anzeiger:
Welche Rechte stehen dem Geschädigten letztlich zu?

RA Gollmann: Neben freier Anwaltswahl hat er immer das Recht, zu entscheiden,welche Reparaturwerkstatt er für die Behebung des Schadens einsetzt oder auch, den Schaden gar nicht reparieren zu lassen und eine so genannte fiktive Abrechnung vorzunehmen.
Augsburger Süd-Anzeiger: Was ist so eine fiktive Abrechnung?
RA Gollmann: Eine Abrechnung anhand eines Gutachtens. Bei kleineren Schäden bis ca. 750 ¤ verlangt man die Nettokosten, die der Gutachter für eine ordnungsgemäße Schadensbeseitigung errechnet. Der Geschädigte sollte dabei in jedem Fall selbst einen qualifizierten freien Gutachter selbst bestimmen. Nach unserer Erfahrung ist es für den Geschädigten meistens nachteilig, wenn sie sich von der Versicherung auf einen bestimmten Gutachter verweisen lassen.
Augsburger Süd-Anzeiger
Sind die von der Versicherung bestellten Gutachter denn nicht unabhängig?
RA Gollmann: Hier habe ich aufgrund langjähriger Erfahrung erheblichste Bedenken. Es gibt auch bei so genannten unabhängigen Gutachtern durchaus bedeutende Unterschiede bei der Erstellung des Gutachtens. Beispielsweise versuchen viele Versicherer grundsätzlich bei Fahrzeugen niedrigere als ortsübliche Stundenverrechnungssätze anzusetzen. Bestimmte strittige Schadenspositionen werden im Gutachten eventuell nicht mehr aufgenommen. Bei Fahrzeugen mit unfallbedingtemn Totalschaden besteht durchaus ein gewisser Ermessensspielraum in der Art der Ermittlung eines Restwertes und der Höhe des Wiederbeschaffungswertes. Damit besteht bei der Wahl des falschen Gutachters immer das Risiko eine zu niedrige Entschädigungssumme zu erhalten. Da der Geschädigte grundsätzlich ein freies Wahlrecht des Gutachters hat, sollte er dies mit seinem Rechtsanwalt absprechen und einen seriösen und qualifizierten Gutachter selbst bestimmen, dert nicht „interessensgebunden“ ist.
Ein fundierter, auf das Verkehrsrecht spezialisierter Rechtsanwalt wird auch darauf drängen, dass das Gutachten niemals vorab direkt an die Versicherung geschickt wird. Es wird sinnvollerweise an den Rechtsanwalt und an den Geschädigten parallel übersandt und dann der mögliche Reparaturweg oder die Ersatzbeschaffung mit den entsprechenden finanziellen Konsequenzen für den Geschädigten abgesprochen. Erst dann werden die Ansprüche alleinig über den Rechtsanwalt gegenüber dem Schädiger geltend gemacht.
Augsburger Süd-Anzeiger:
Muss der Geschädigte dann überhaupt mit der Versicherung selbst in Kontakt treten?

RA Gollmann: Nach unserer Auffassung sinnvollerweise nicht. Alles sollte über den Rechtsanwalt laufen. Der Geschädigte muss lediglich mit dem Rechtsanwalt abklären, ob er bei seiner eigenen Versicherung eine Schadensmeldung machen muss bzw. ob diese vom Rechtsanwalt mit übernommen wird.
Augsburger Süd-Anzeiger:
Oftmals übernimmt die Werkstatt die Abwicklung für den Geschädigten. Ist dies sinnvoll?

RA Gollmann: Wir raten grundsätzlich davon ab. Die Werkstatt vertritt verständlicherweise letztlich ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen, da sie aufgrund ihrer unternehmerischen Tätigkeit auch entsprechende Gewinne erzielen will. Sie darf im Übrigen auch keine fundierte Rechtsberatung machen. Nach dem Unfall sollten nicht einfach Reparaturaufträge mit Abtretungen gegenüber der Werkstatt abgegeben werden. Dies kann man immer noch nach einer umfassenden Beratung durch den Rechtsanwalt veranlassen. Der Geschädigte kennt dann jedenfalls alle ihm zustehenden Reparaturmöglichkeiten.
Augsburger Süd-Anzeiger: Wie verhält sich der Geschädigte, wenn er beim Unfall auch
verletzt wurde?

RA Gollmann: Bei Unfallverletzungen stehen dem Geschädigten selbstverständlichPersonen-
schadensansprüche zu, die nicht nur aus Schmerzensgeld bestehen, sondern auch aus Ersatz von Verdienstausfall, Umschulungsmaßnahmen, Heilbehandlungskosten, Kurbehandlungen,
Haushaltsführungsschaden so-wie möglicherweise Übernahme von Unterhaltsverpflichtungen. Darüber hinaus gibt es viele weitere Schadenspositionen. Letztlich kann nur ein im Verkehrsrecht versierter Rechtsanwalt dem Geschädigten bzw. dessen Angehörigen aufzeigen, welche Ansprüche er hat und wie er diese beweisrechtlich sichern kann. Im Anschluss daran wird er die gesamte Vertretung, die sich bei schweren Verletzungen häufig über Jahre zieht, abnehmen. Nur so ist ein angemessener Ersatz des Schadens gewährleistet.
Augsburger-Süd-Anzeiger:
Vielen Dank für das Gespräch.