Ihre Rechte im Schadensfall: Teil 1
In einen Unfall verwickelt zu werden, erleben die meisten Autofahrer zum Glück relativ selten. Umso ratloser sind sie deshalb , wenn es doch einmal passiert. Nach den haftungs- und schadenersatzrechtlichen Aspekten eines Unfalls erkundigten wir uns bei Rechtsanwalt Günter Gollman, einem Experten für Verkehrs- und Versicherungsrecht.
Augsburger Süd-Anzeiger: Wie verhalte ich mich optimal, wenn ich an einem Unfall beteiligt bin?
RA Gollmann: Zuerst einmal sollte man immer darauf achten, dass etwaige Beweismittel wie beispielsweise Zeugen gesichert werden. Im Zweifelsfall sollte auch bei kleineren Blechschäden immer die Polizei hinzugezogen werden.
Augsburger Süd-Anzeiger: Kommt die Polizei denn in allen Fällen?
RA Gollmann: Die Polizei wird nach telefonischer Verständigung letztlich immer zum Unfallort kommen. Bei kleineren leichten Blechschäden wird sie häufig nur einen so genannten Tagebucheintrag machen. Das heißt, dass sie kein förmliches Ermittlungsverfahren einleitet. Sie nimmt nur die Unfallbeteiligten und eine grobe Schilderung des Unfalles für ihre interne Datenbank auf. Diese Daten können später aber durch einen Rechtsanwalt abgefragt werden. Auch die Polizisten stehen dann als Zeugen zur Verfügung.
Es ist leider häufig so, dass nach einem Unfall ohne entsprechende Beweissicherung ein Unfallgegner den Sachverhalt später gegenüber der Versicherung anders darstellt. Der Geschädigte läuft dann aufgrund fehlender Beweismittel Gefahr, nicht die ihm zustehenden Ansprüche zu erhalten. Zudem besteht das Risiko, dass der Unfallgegner auch noch an die eigene Versicherung herantritt und selbst Forderungen stellt mit der Folge des Verlustes von Versicherungsrabatten.
Augsburger Süd-Anzeiger: Reicht es nicht aus, wenn der Geschädigte vor Ort ein Schuldanerkenntnis abgibt?
RA Gollmann: Ein Schuldanerkenntnis ist rechtlich äußerst problematisch. Dieses sollte bereits aus versicherungstechnischen Gründen vermieden werden. Jeder Unfallbeteiligte, der mit einem zulassungspflichtigen Fahrzeug am Unfall beteiligt ist, riskiert einen Verlust des Versicherungsschutzes, wenn er ein pauschales Schuldanerkenntnis abgibt. Dies ist im zu Grunde legenden Versicherungsvertrag so geregelt. Äußert sinnvoll und als Urkunde auch ein sehr gutes Beweismittel ist ein so genannter Unfallbericht. Gerade in einigen Nachbarländern ist ein Unfallbericht mit einem entsprechenden Formularvordruck bei Unfällen verpflichtend. Diese Unfallberichte erhalten Sie von jeder gut ausgestatteten Rechtsanwaltskanzlei. Sie beinhalten als Vordruck alle notwendigen Daten, die die Unfallbeteiligten jeweils selbstständig in den Unfallbericht einzutragen haben. Es wird zusätzlich auf diesem Unfallbericht eine kleine Unfallskizze gefertigt. Danach unterzeichnen die Fahrer diesen. Das Dokument ist als Beweismittel zulässig und kann im Gegensatz zu einem Schuldanerkenntnis in der Regel auch nicht angefochten werden. Ein pauschales Schuldanerkenntnis wird häufig von Beteiligten im Nachhinein mit der Begründung widerrufen, dass sie vor Aufregung die Rechtslage falsch eingeschätzt hätten. Dann verliert ein solches häufig komplett jegliche rechtliche Bedeutung.
Augsburger Süd-Anzeiger: Was sollte der Geschädigte im Anschluss an diese Beweissicherung machen?
RA Gollmann: Unsere Erfahrung zeigt, dass mögliche Ansprüche erst mit einer kompetenten Rechtsvertretung durchgesetzt werden. Die Versicherer versuchen gerade bei einem unverschuldeten Unfall möglichst schnell an die Geschädigten heranzutreten. Dies wird in der Praxis häufig dadurch erreicht, dass der Schädiger dem Geschädigten eine Versicherungskarte mit einer kostenlosen Durchwahlnummer überreicht. Es ist grundsätzlich richtig, dass die korrekten Versicherungsdaten an den Geschädigten beim Unfall übergeben werden. Aus unserer Erfahrung ist es aber nicht sinnvoll, sich vor einer ausführlichen Rechtsberatung mit der gegnerischen Versicherung in Verbindung zu setzen.
Augsburger Süd-Anzeiger: Es erscheint aber doch der schnellste und einfachste Weg, wenn man gleich bei der Versicherung anruft?
RA Gollmann: Nur auf den ersten Blick. Die gegnerischen Versicherer haben selbstverständlich immer handfeste eigene Interessen, gegen die ein Laie letztlich nicht ankommen kann. Die Interessen einer gegnerischen Versicherung und des Geschädigten sind grundsätzlich völlig kontrovers. Der Geschädigte will selbstverständlich alle ihm zustehende Rechte wissen und selbst den Weg der Schadenswiedergutmachung im Bereich des rechtlichen Möglichen wählen. Der Versicherer will dem Geschädigten letztlich den für ihn günstigsten Weg aufzeigen und eine dementsprechende Regulierung vornehmen. Der günstigste Weg ist aber selten der für den Geschädigten optimale Weg. Dies ist auch der Grund, warum die Rechtsprechung dem Geschädigten das Recht gibt, einen Rechtsanwalt mit der Schadensregulierung zu beauftragen.
Augsburger Süd-Anzeiger: Muss deshalb die Versicherung die Rechtsanwaltskosten des Geschädigten auch ohne Rechtsschutzversicherung bezahlen?
RA Gollmann: Eine Kfz-Rechtsschutzversicherung wird in der Regel bei einer Schadensregulierung von uns überhaupt nicht in Anspruch genommen. Vom völlig klaren Bagatellunfall bis zu einem schwersten Personenschaden ist der Schädiger immer auch verpflichtet, die Rechtsanwaltskosten des Geschädigten zu bezahlen. Aus diesem Grund wird bei unverschuldeten Verkehrsunfällen in der Regel auch kein Vorschuss vom Rechtsanwalt verlangt und die Kosten der Rechtsverfolgung im Anschluss an die Schadensregulierung direkt mit der Versicherung abgerechnet. Eine sicher sehr sinnvolle Kfz-Rechtsschutzversicherung wird von uns nur dann in Anspruch genommen, wenn es aufgrund Mithaftungseinwände oder strittiger Schadenspositionen zum Streit kommt und die Regulierung durch den Schädiger verweigert bzw. berechtigte Ansprüche nicht ausgeglichen werden.
(Teil2 des Interviews in der nächsten Ausgabe des Augsburger Süd-Anzeiger!)