Geschichten aus der Geschichte (Historische Betrachtungen von Heinz Münzenrieder): Laster, Ausschweifungen und andere Sünden – Manchmal hatte die hohe Obrigkeit ihre liebe Not mit den Untertanen. „Gefallene Jünglinge und Weibspersonen“ sollten bestraft werden

Das sonntägliche Tanzen war im Radau-Wirtshaus erlaubt. Bild: Stahlstich Fr. Th. Weber 1813 / Gögginger Geschichtskreis

Göggingen In den vergangenen Jahrhunderten hatten Kirche und Obrigkeit so manchen Streit mit den angeblich renitenten Untertanen auszufechten. Recht anschaulich hat der Gögginger Historiker Dr. Siegfried Stoll in seiner Publikation über die Geschichte der Pfarrei St. Georg und Michael einige solcher Konflikte beschrieben. Ein besonderes Ärgernis bildete etwa Mitte des 18. Jahrhunderts das sonntägliche Tanzen, das im bischöflichen Hochstift Augsburg – zu dem Göggingen gehörte – streng verboten war.
Doch dies bereitete im Ort keine großen Probleme: Man frönte dem „Laster“ halt im Radau-Wirtshaus, das – westlich der Singold gelegen – zum Domkapitel gehörte. Hier hatten die Hochstifter nichts zu sagen. Nach einiger Zeit hatte der Herr Fürstbischof Clemens Wenzeslaus ein Einsehen mit seinen tanzfreudigen Untertanen. Vielleicht ging es ihm aber mehr um die Biersteuer, die der Hochstifts-Zivilcassa beim „Auslaufen“ der Gögginger in die Radau entging.

Bestrafung durch „Hinstellen an die Kirchthür“

Das hohe Pflegamt begründete die fürstbischöfliche Gnade jedenfalls so: „Es würden beim Gehen in die Radau mehr sündhafte Ausschweifungen als beim Tanzen selbst zu befürchten sein!“ Arg fürsorglich war dies schon . . .
Die Erlaubnis galt aber nur für die die Zeit zwischen dem Ende des Nachmittags-Gottesdienstes und 21.00 Uhr. Der Fürstbischof ordnete auch noch etwas Anderes an: Sein Vikariatsamt musste eruieren, welche Geistliche in der Faschingszeit an Redouten und Bällen teilnahmen. Siegfried Stoll konnte das Ergebnis der Untersuchung nicht mehr ausfindig machen. Mit Bestimmtheit gehörte aber zu den etwas „brauchtumsfreudigen“ geistlichen Herren nicht der gestrenge Gögginger Pfarrer Anton Matthias Haff, der zwischen 1819 und 1824 wirkte. Er war von tiefer Sorge um das Seelenheil seiner Gemeindeschäfchen erfüllt. So forderte er von der fürstbischöflichen Civilbehörde dafür Sorge zu tragen, „dass gefallene Jünglinge und Weibspersonen durch Hinstellen vor die Kirchthür bestraft werden“.

„Honetteste und distinguierte Leuthe“

Zweckdienlich wäre es auch, „Jünglingen und Jungfrauen, die sich durch keusche Ehrbarkeit auszeichnen“, einer Belohnung zuzuführen. 1786 beschwerte sich die allerehrwürdigste Freie Reichsstadt Augsburg bei der bischöflichen Behörde über angeblich besorgniserregende Zustände in Göggingen, in die insbesondere Bürger der Stadt involviert seien. Es würden in zwei Wirtshäusern immer wieder Bälle an Sonntagen abgehalten, die von großer Sittenlosigkeit getragen seien.
Doch der fürstbischöfliche Hofbeamte von Krafft stellte keck fest, dass diese Veranstaltungen von hohem Adel, dem Augsburger Patriziat und ansonsten „von honettesten und distinguierten Leuthen frequentiert“ würden. Im Übrigen unterhalte man sich bei Musik, trage dazu Masken und soupiere. Die Augsburger gaben sich mit der Antwort zufrieden. Gewisse Unterschiede gibt es halt immer.