Franz Herre – der zu den renommiertesten Autoren historischer Biographien in Deutschland zählt – bekannt sind etwa seine Publikationen über LudwigII., Napoleon oder die Fugger-Dynastie – hat in einer kleinen Präsentation des Bayerischen Rundfunks anlässlich der schönen 2000-Jahrfeier Augsburgs 1985 „seinem“ Pfersee – in dem er Kindheit und Jugend verbrachte – eine Liebeserklärung gewidmet, die es wert ist, in Erinnerung gerufen zu werden.
Klar, kam er hier auch – vermittelt durch die werktäglichen Schulgottesdienste in Herz Jesu – zu einer echten Pferseerin, was nicht jedem gelingt. . . Eines versteht der Autor dabei besonders: Er zeichnet ein authentisches Bild des Mühlbachortes, durch das erkennbar wird, dass Pfersee trotz der Eingemeindung zum 1. Januar 1911 nach Augsburg – die nicht aus Liebe zur großen Nachbarin, sondern auf Grund wirtschaftlicher Zwänge erfolgte – seinen ihm eigenen und durchaus urbanen Charakter beibehalten konnte. Und natürlich gehören die den Ort prägenden Industriebetriebe sein besonderes Augenmerk.
Bevorzugt durch den Mühlbach konnte sich Pfersee sehen lassen: So entstanden 1866 die Spinnerei und Weberei, 1885 die Laubsägen- und Uhrenfedernfabrik Eberle, 1887 die Dierig-Vorgängerfirma Weberei Schnell und ebenfalls 1887 die chemische Fabrik Bernheim. Letztere hat Franz Herre wegen der von ihr ausgehenden außergewöhnlichen Gerüche wohl nicht allzu gut in Erinnerung …
St. Michael durfte sein frommes Leben fortführen
Und ein geschultes politisches Auge hat er auch, der Herr Historiker: Die Pferseer Arbeiter waren keine revolutionären Proletarier, sondern bodenständig, ordnungsliebend und religiös. Wenn – meint er etwas augenzwingernd – Bert Brecht westlich der Wertach das Licht der Welt erblickt hätte und nicht im Augsburger Osten, wäre er vielleicht zu ganz anderen gesellschaftlichen Analysen gekommen. Eine nicht uninteressante Sicht der Dinge. . . Und natürlich dürfen bei der Herre´schen Liebeserklärung pro Pfersee sie nicht fehlen: Die 1682 – 1685 errichtete barocke Michaelskirche mit ihrer „Rokoko-Sahnehaube“, die beim Neubau von Herz Jesu – 1910 „in Betrieb genommen“ – Gott sei Dank nicht weichen musste und wenigstens als Benefizium ihr frommes Leben weiterführen darf. Mit Recht stellt er aber fest, dass heute die Herz-Jesu-Kirche zum eigentlichen Mittelpunkt Pfersees geworden ist. Dies nicht nur topographisch, sondern auch dem Gefühl der Pferseer entsprechend. Und er sieht auch die kirchliche Brückenfunktion zwischen dem nördlichen Teil des Ortes – früher weit überwiegend von Arbeitern bewohnt – und dem Süden, in dem die „besseren Leute“ zu Hause waren. Klar ist auch, dass die in ganz Süddeutschland einmalige Jugendstil-Innenarchitektur der Kirche entsprechendes Lob des Autors erfährt. In guter Erinnerung ist Franz Herre auch das heute längst verblichene Odeon-Filmtheater geblieben: „Für 25 Pfennige konnte man dort einen Western gleich zweimal ansehen“, erzählt er. Doch nur mit viel Geschick war dies zu bewerkstelligen. Man musste sich nämlich – so Franz Herre – zwischen den Vorstellungen vor den gestrengen Augen der Billettdame zwischen den Stuhlreihen „unsichtbar“ machen, was er aber offensichtlich recht gut meisterte . . .