1988 war Haunstetten um ein Original ärmer geworden: Der Maler und Schuhmacher Albert Leidl, geboren 21.08.1900 in Oberndorf bei Rain am Lech starb im Alter von 88 Jahren Ende März 1988.
Im Januar 1987 hatte er bereits der Stadt Augsburg sein Vermögen von 1,5 Millionen DM für die Altenhilfe der Stadt, genauer gesagt der Paritätischen St. Jakobsstiftung als Zustiftung vermacht. Laut Stiftungsurkunde bildete sein Vermögen den Grundstock für den knapp sechs Millionen DM teuren Ausbau des zum Jakobsstift gehörenden Anwesens Oberer Graben 8. Hier entstanden 1988 – 1992 die ersten Appartements in Augsburg, die das Prädikat „Betreutes Wohnen“ verdienten.
Wie konnte es zu einer solchen Millionenstiftung für die Altenpflege kommen?
Mit einem Jahr kam der verwaiste Bub 1901 „im Wickelkissen“ mit der Lokalbahn zu seinen Haunstetter Pflegeeltern Reitschuster in die Sommerstraße, wo Albert Leidl dann Zeit seines Lebens lebte und arbeitete.
Die kleine Werkstatt am Ende der Haunstetter Sommerstraße, gleich neben dem Alten Friedhof erbte er von seinen Pflegeeltern Michael und Viktoria Reitschuster. Pflegevater Michael betrieb hier selbst seine Schusterwerkstatt.
Mit 86 Jahren erkrankte Albert Leidl sehr schwer und er beschloss, wenn er genesen sollte, sein Vermögen der Augsburger Altenhilfe zu vermachen.
So ein großes Vermögen hatte kein Haunstetter bei dem stets sehr bescheidenen „Bertl“, wie viele Haunstetter ihn nannten, vermutet. Fast täglich kochte sich der stets sparsam lebende „Reitschuster-Bertl“eine Brennnesselsuppe oder bereitete sich einen Salat aus Brennnesselblättern; er rauchte nicht, trank keinen Alkohol und hatte, so seine Aussage, seit Jahrzehnten kein Gramm Salz gebraucht.
Die anderthalb Millionen DM hatte der Junggeselle Albert Leidl durch äußerste Sparsamkeit und erfolgreiche Aktienspekulationen an der Börse erworben. Als Gegenleistung wünschte er sich von der Stadt Augsburg, dass eine Straße in Haunstetten nach ihm benannt wird. Und so beschloss der Augsburger Stadtrat im Haunstetter Wohngebiet „Verlängerter Offenbachweg“eine Straße nach ihm zu benennen.
Doch seine große Liebe galt nicht der Schusterei, dem Handwerk, das er von seinem Pflegevater Michael Reitschuster gelernt hatte, sondern der Malerei, insbesondere der Aquarellmalerei.
So besuchte er auch 1919, kurz nach dem 1.Weltkrieg als 19-Jähriger Kurse an der städtischen Kunstschule in der Maximilianstraße. Ein Professor gab ihm 1920 – 1923 sogar Privatstunden; Pflegemutter Viktoria bekochte als Gegenleistung in der harten Nachkriegszeit den Professor.
Seine Bilder habe Leidl , so will es die Überlieferung, aber zum Teil mit „Schusterwichs“und anderen unbekannten Ingredienzien gemalt.
In den Sommermonaten radelte Leidl sehr oft ins Allgäu, an den Chiemsee, nach Österreich und malte deren Landschaften. Sogar nach Italien führten ihn die Radwanderungen, denn seine Liebe galt der Toskana. Später entdeckte er auch die malerischen Ecken Haunstettens. Gern malte er das Ambiente um die Pfarrkirche St.Georg.
Weit über 1500 Bilder entstanden im Lauf der Jahrzehnte. Für Haunstetten haben seine Bilder großen lokalhistorischen Wert. Zeigen sie doch malerische Ansichten und Winkel, die es so heute nicht mehr gibt.
Seine letzten Jahre verbrachte er im Altenheim in der Sauerbruchstraße. Pfarrer Karl Streitberger von St.Georg geleitete den Schuster, Maler und Wohltäter 1988 auf dem Alten Friedhof zur letzten Ruhe.
Jutta Goßner, Vorsitzende des Kulturkreises Haunstetten e.V.
Bilder: Archiv Kultukreis