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Historische Betrachtungen von Heinz Münzenrieder
Die Radau: Gögginger Ortsteil mit fast 800 Jahren Vergangenheit
Der Name hat mit Krawall überhaupt nichts am Hut. Arme Schlucker waren die Radauer. 1808 sind sie eingemeindet worden.
Erklärungsbedürftig ist er schon: der Gögginger Ortsteilname Radau. Er bezieht sich ursprünglich in etwa auf das Gebiet westlich der Singold bis hin zur Wertach. Und so mancher, der heute – etwa in der Radau- oder Radauangerstraße – wohnt, muss dabei schon weit zurückblättern im dicken Buch der örtlichen Historie. Man will schließlich gegenüber der lieben Verwandtschaft von außerhalb mit profunden Geschichtskenntnissen aufwarten. Immerhin hatte die Radau bis zur Gemeindereform 1808 sogar den Status der Selbstständigkeit, ehe sie zu Göggingen kommen musste – was die Gögginger, als sie selbst 1972 von den „bösen“ Augsburgern geschluckt wurden, gar nicht gern hörten.
Na ja, arme Schlucker waren sie schon – die Radauer. Für etwas Glanz sorgte nur das Radau-Wirtshaus direkt an der Singold und später die anstelle der Unteren Radaumühle entstandene Maschinenfabrik Asbern. Ehrenwert ist die fast 800-jährige Geschichte der Radau. Recht nobel begann alles: Erstmals 1230 wird das Reichsgut eines hohen Herrn Herman von Radowe urkundlich erwähnt. Und klar ist auch, dass dieser werte Familienname überhaupt nichts mit Krawall oder ähnlichen Unanständigkeiten zu tun hat.
Es gibt sogar zwei sprachwissenschaftliche Deutungen: Eine „Ouwe“ bezeichnet im Mittelhochdeutschen eine wasserreiche Wiesenlandschaft. Und der Zusatz „Rad“ steht für die örtliche Situierung.
Aus den Mauersteinen des zerstörten Radauschlosses wird das Stadtberger Bräuhaus errichtet
Das passt doch: Ein Reichsgut an den Gestaden der Singold in einer radförmigen Aue. Und die zweite Erklärung: Die Bezeichnung „Radau“ sei eine Verkürzung von „Radegundouwe“ und damit die Kennzeichnung einer zu Radegundis bei Wellenburg gehörenden Aue. Ganz stimmig ist diese Erklärung wohl nicht, denn die Ausgangsorte sind arg weit voneinander entfernt. Eine fleißige historische Arbeit könnte hier endgültig für Klarheit sorgen. Und wenn dies nicht geschieht, wird die kleine Welt der heutigen Radauerinnen und Radauer auch nicht untergehen …
Im Übrigen nahm das Reichsgut Radau ein schlimmes Ende. Zuletzt als Wasserschloss dem Augsburger Patriziergeschlecht der Rehlinger dienend, wurde es im Dreißigjährigen Krieg 1646 durch die Schweden und Franzosen recht unfein zerstört.
Wir sind aber schließlich in Schwaben: Die übrig gebliebenen Mauersteine erwarb das sparsame Domkapitel und verwendete sie zum Bau des Stadtberger Bräuhauses, das heute noch an der Schulstraße ein Stück Ortsgeschichte präsentiert. Es wurde von David Mozart, dem Großonkel von Leopold Mozart, errichtet und hatte eine recht wichtige Funktion: Schließlich füllten der Bierumsatz und die daraus folgende Biersteuer recht ansehnlich die „Domkapitel’sche Cassa“.
Und in Göggingen erinnerte noch bis in die 1950er-Jahre ein „rodelfähiger“ Erdhügel am damaligen Ende der Radaustraße an das untergegangene Schloss.