Der Tod erscheint auf leisen Sohlen: Das Deutsche Gehörlosen-Theater beeindruckt mit dem Bühnenstück „Bluthochzeit“ in Gebärdensprache
Auge und Auge, Zahn um Zahn…und eine verhängnisvolle „Bluthochzeit“. Mit dem dramatischen Dreiakter von Federico Gracia Lorca hat das Deutsche Gehörlosen-Theater im Stadtberger Bürgersaal ein bewegendes Theaterstück aufgeführt, das sich um all die Elemente dreht, aus denen aufwühlende Geschichten gestrickt sein sollten: brennende Leidenschaft, eiskaltes Ehrgefühl und die düstere Allgegenwart des Todes. Bereits das Titelbild des Programmheftes mit einer blutenden Rose war der schweigende Vorbote auf das kommende Unheil in dem dunklen Plott. Ein junger Spanier aus Andalusien trifft seine Hochzeitsvorbereitungen. Seine Mutter sollte eigentlich glücklich sein, doch die betagte Dame erinnert sich an die düstere Vergangenheit: Leonardo, der ehemalige Verlobte der Braut, gehört einer feindlichen Sippe an, die auch vor grausamer Blutrache nicht zurückschreckt. Und wie es das Schicksal vorgesehen hat, steht der Nebenbuhler am Hochzeitsfest vor den Toren der Stadt und fordert nichts Geringeres als die Braut – und dies nicht zwingend gegen ihren Willen … Obwohl bei dieser Darbietung keinem der Darsteller ein hörbares Wort über die Lippen geglitten war, bekamen die Zuschauer jede einzelne Gefühlsregung am ganzen Körper zu spüren. Und selbst wer die Gebärdensprache nicht beherrscht, kam an diesem Abend in den spannenden Genuss eines bewegenden Dramas auf höchstem schauspielerischen Niveau. Eine Simultanübersetzung wäre zwar schön gewesen, doch durchaus nicht zwingend erforderlich. Mit den eingesprochenen Szenenbeschreibungen konnten auch hörende Gäste zumindest der emotionalen Handlung folgen und ihr Augenmerk ganz auf Gesten und Gesichtsausdrücke der Schauspieler richten. So spürte man es etwa ohne Weiteres, wenn herzerfrischende Komik einem gefühlskalten Zynismus gewichen war. Es sind vor allem Lorcas lyrische und romantische Metaphern, die von gehörlosen Menschen ausgezeichnet zum Ausdruck gebracht werden können. Und diese Interpretationen hat das Ensemble in dem zeitlosen Drama über die Macht der gesellschaftlichen Zwänge in wunderbare Weise unter Beweis gestellt. Die nächtliche Fluchtaktion von Leonardo und der Hochzeitsbraut findet in den Tiefen des Waldes ebenfalls ihr lyrisches, wenn auch leidvolles Ende: Der Mond in Gestalt eines Holzfällers lässt die beiden verlorenen Seelen nicht entkommen, und auch der Tod hat im Kostüm einer Bettlerin bereits Position bezogen … Eine überzeugende Truppe, ein düsteres Sujet und ein Wechselbad von elementaren Gefühlen haben ein Theatererlebnis der ganz besonderen Art auf die Bühne gezaubert. Das Motto der Regisseurin Elisabeth Pinilla Isabela lautet: „Kultur bringt sich zur Sprache“. Und keine ausgesprochene Silbe hätte die Kultur dieses Abends besser zur Sprache bringen können als die unverfälschte Schauspielkunst ihrer Darsteller.
Text: Thomas Hack /
Bild: Daniela Ziegler