Stadtbergen In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm das Bevölkerungswachstum auch in Stadtbergen und in den damals noch selbstständigen Gemeinden Leitershofen und Deuringen stark zu. Dabei tat sich besonders Deuringen hervor, dessen Einwohnerzahl sich – wohl auch wegen einer großzügigen „Zuwanderungspolitik“ – zwischen 1830 und 1852 von 144 auf gleich 341 erhöhte. Und bei Stadtbergen und Leitershofen war in dieser Zeit ein Zuwachs von immerhin zwischen 30% und 40% zu verzeichnen. Dass deshalb bei vielen Familien die Armut zum Wegbegleiter wurde, ist schon verständlich. Doch hatten die vielen nach Arbeit Suchenden ein wenig Glück im Unglück.
Die zur gleichen Zeit auch in Augsburg und in seinen noch nicht eingemeindeten Vororten Göggingen, Haunstetten, Pfersee und Oberhausen einsetzende Industrialisierung sorgte für einigermaßen sichere Arbeitsplätze, wenngleich diese oft mit Hungerlöhnen, Kinderarbeit und überlangen Arbeitszeiten verbunden waren. In der Stadtberger Ortschronik hat zu letzterem Aspekt der Historiker Herbert Müller einen bezirksamtsärztlichen Bericht ausfindig gemacht, der ein anschauliches Bild der Lebensverhältnisse der hauptsächlich in den Textilfabriken arbeitenden Menschen zeichnet: „Augsburgs Arbeiterbevölkerung wohnt zur Hälfte in den benachbarten Dörfern. Diese sind von den Fabriken bis zu eineinhalb Fußstunden entfernt.“
Ein Schlafplatz in Göggingen
Und: „Die Arbeiter sind deshalb genöthigt, morgens schon um 3 Uhr aufzustehen. Um 5 Uhr beginnt die Arbeit, die bis 7 Uhr und teilweise bis 8 Uhr währt. So verbleiben nur 5 Stunden Nachtruhe.“ Eine besondere Beziehung bestand für die Stadtberger, Leitershofer und Deuringer zur Zwirnerei und Nähfadenfabrik Göggingen. Allein aus Deuringen kamen fast so viele Arbeiter wie aus Göggingen selbst. Und – auch dies stellt Herbert Müller fest – nicht wenige Deuringer, aber auch Stadtberger und Leitershofer, leisteten sich die Woche über den „Luxus“ eines Schlafplatzes in Göggingen oder zogen ganz dorthin.
Die Industrialisierung und die damit einhergehenden Nöte der Menschen – etwa die Hälfte der in den Fabriken Arbeitenden waren Frauen und Kinder – führten aber auch zu einem neuen Miteinander und zu solidarischer Hilfe. In den Augsburger Arbeiterquartieren sowie in den Industrievororten bildeten sich sozialdemokratische Selbsthilfeeinrichtungen. Auch die Kirchen nahmen sich der Not der Menschen an. So entstand 1897 in Leitershofen ein katholischer Arbeiterverein. 1919 kam dann durch die gesellschaftlichen Veränderungen der Durchbruch: Die Kinderarbeit wurde verboten, das Tarifvertragswesen eingeführt und das Frauenwahlrecht auf den Weg gebracht.