Das 23. (Internationale) Augsburger Meisterturnier des Schachklubs 1908 Göggingen gewinnt erstmals ein Gögginger!
Fast ein vierteljahrhundertlang gab es in Augsburg internationale Schachmeisterturniere, nie schaffte es ein Einheimischer gegen die Konkurrenten aus allen Erdteilen den ersten Platz zu erringen.
Seit vier Jahren stehen die Großmeister- bzw. Meisterturniere aufgrund der Unterstützung durch Brauereichefin Stephanie Schmid unter dem Motto „Meisterschach mit Ustersbach“ und siehe da 2009/10 war mit Helmut Wolfsteiner aus Dasing erstmals ein schwäbischer Spieler erfolgreich und beim „Internationalen Augsburger Werner-Ruisinger-Memorial-Meisterturnier“ vom 28.12.11 bis 5.1.2012 folgte mit dem Gögginger Gregory Pitl gleich der zweite Sieg eines Augsburger Spielers!
Während Wolfsteiners Sieg 2010 eine riesengroße Sensation darstellte, hatte der Internationale Meister G. Pitl schon des Öfteren zum Favoritenkreis gezählt,bis ihm nun im elften (!) Versuch endlich der große Wurf gelang.
Drei Spieler aus Wales und der aus Wertingen stammende, derzeit in Göggingen wohnhafte Student der Universität Augsburg, Korbinian Nuber, vielfacher schwäbischer Titelträger und derzeit bayerischer Vizemeister, sorgten heuer im geschichtsträchtigen Saal Bourges des Hotels Ibis beim Königsplatz für viel frischen Wind.Auch der Weilheimer Bernhard Bayer, dem nachgesagt wurde der spielstärkste Fidemeister Deutschlands zu sein, war erstmlig dabei.
Zur Begrüßung hatte der verantwortliche Turnierorganisator Johannes Pitl den Gästen aus Großbritanien einen ähnlich erfolgreichen Aufenthalt gewünscht wie den Fußballspielern aus der walisischen Hauptstadt Cardiff, die im Frühjahr 1968 im Augsburger Rosenaustadion im Entscheidungsspiel auf neutralem Platz Torpedo Moskau besiegten und ins Halbfinale des Europapokals der Pokalsieger einzogen.
Die drei Waliser waren unisono von den Rahmenveranstaltungen, den Turnierbedingungen im Hotel Ibis und überhaupt von Augsburg vollauf begeistert, mischten an den Schachbrettern kräftig mit und beeinflussten ganz erheblich die Entscheidung über den Turniersieg.
Ioan Rees, ein Angriffsspieler par excellence wie der im März verstorbene Gögginger Schwabenmeisterspieler Werner Ruisinger, (dessen Gedenken das Turnier gewidmet war), hatte seine ersten sechs Turnierpartien verloren. Am siebten Spieltag traf er auf den schon scheinbar uneinholbar enteilten Eckhard Schmittdiel, hatte die eigentlich „unverschämte Kühnheit“ im noch ausgeglichenen Mittelspiel dessen Remisangebot abzulehnen und konnte nach einer glänzenden Partie tatsächlich seinen ersten Sieg verbuchen! Großmeister Schmittdiel kam durch
die ganz und gar nicht eingeplante Niederlage total aus dem Konzept,mühte sich am nächsten Tag gegen den Waliser Captain Timothy Kett 83 Züge lang vergeblich um einen vollen Punkt und verpaßte am Ende seinen schon sicher geglaubten vierten Turniersieg in Augsburg!
Der dritte Waliser Richard Jones kämpfte am letzten Spieltag punktgleich mit Lokalmatador Gregory Pitl um Platz eins. Alle Gegenwehr half ihm in einem von vielen fachkundigen Zuschauern verfolgten Duell auf hohem Niveau und an eng umlagertem Brett nichts,da der Augsburger ein schwieriges Endspiel schulmäßig zum Sieg führte.
Der Neu-Gögginger Korbinian Nuber hatte mit schwer erkämpften Remispartien gegen die Turnierfavoriten Schmittdiel und Bayer einen glänzenden Start, mußte dann aber seinem extrem großen Auslosungspech Tribut zollen (er mußte von seinen vier ersten Partien gegen die elostärksten Spieler drei mit Schwarz bestreiten!).Im weiteren Turnierverlauf stellte er allerdings klar unter Beweis,den ihm erst Anfang Dezember vom Schachweltverband verliehenen Titel Fidemeister völlig zu Recht zu tragen. Die heuer getätigten Erfahrungen wird Nuber mit Sicherheit dazu verwerten, um im nächsten Turnier mit internationalen Titelträgern jedweder Couleur voll auf Augenhöhe in Wettstreit treten zu können.
Bernhard Bayer wurde dem ihm vorauseilenden Ruf in vollem Umfang gerecht. Er blieb als einziger Turnierteilnehmer ohne Niederlage und erreichte die selbe Punktzahl wie Turniersieger Gregory Pitl. Der nächste Kongreß des Schachweltverbandes wird Bayer den begehrten Titel „Internationaler Meister“ verleihen. Damit macht er als zwölfter Absolvent mit diesem Prädikat das Dutzend in Augsburg gekürter Meister voll und unterstreicht den schon legendären Ruf Augsburgs als „Internationale Schachmeisterschmiede“.
Bei den sympathischen Dauergästen der Augsburger Meister-turniere,den Fidemeistern Klaus de Francesco und Ludwig Deglmann von der Schachakademie am Wörthsee, wechselten auch heuer wieder Licht und Schatten.Sie werden zum nächsten Jahreswechsel erneut Gelegenheit bekommen, endlich erfolgreich den erforderlichen letzten Schritt zum internationalen Meisterlorbeer zurückzulegen. Das Zeug dazu ist Beiden mit ihrem unstreitigen großen Können ohne Wenn und Aber zuzuerkennen.
Internationaler Meister Ivan Hausner aus Prag feierte nach 24 Jahren ein Comeback in der Fuggerstadt.Im Holiday-Inn-Meisterturnier 1987/88 Zweiter hinter Eckhard Schmittdiel, hatte er heuer mehrere Gelegenheiten diesmal den Spieß umzudrehen. Er vergab indessen alle mehr oder weniger leichtfertig und etwas leichtsinnig. Der Bonvivant aus Böhmen ließ sich allerdings dadurch seine permanent gute Laune nicht im Geringsten verderben und wird sicherlich in Jahresfrist wieder in Augsburg zu sehen sein.
Das Endklassement:
1. Gregory Pitl
2. Bernhard Bayer beide 6 Punkte und 24,00 Wertungspunkte
3. Eckhard Schmittdiel 5,5 Punkte
4. Ivan Hausner 5,5 Punkte
5. Richard Jones 5 Punkte
6. Klaus de Francesco 4,5 Punkte,
7. Timothy Kett 4,5 Punkte
8. Korbinian Nuber 3,5 Punkte
9. Ludwig Deglmann 3 Punkte
10. Ioan Rees 1,5 Punkte
Internationaler Schiedsrichter Christian Krause, der als sog „Elo-Officer“ auch dem erweiterten Präsidium des Deutschen Schachbundes angehört, erklärte Gregory Pitl aufgrund der international üblichen sog. Drittwertung zum Sieger.
Der Schachklub 1908 Göggingen dankt den Inserenten der Turnierbroschüre, den Unternehmen Interquell, Hörauf & Kohler, Drescher + Lung, Ustersbacher
Brauerei, Druckerei NDS, dem Kfz-Sachverständigen Walter
Mader, der Stadtsparkasse Augsburg und der Wohnbau GmbH Nuber im Namen aller schwäbischen Schachspieler für ihre Unterstützung.
Die Hauptlast der Finanzierung des Meisterturniers hat indessen Werners Bruder Franz Ruisinger getragen. Seine über Jahrzehnte noch frische Erinnerung an erbitterte gemeinsame Wettkämpfe um die Mannschaftsmeisterschaft der Augsburger Oberschulen (Mitte der sechziger Jahres des vergangenen Jahrhunderts) mit den Ruisinger-Brüdern auf der einen und dem Gögginger Klubvorsitzenden Johannes Pitl auf der anderen Seite hat seine spontane Begeisterung zum ehrenden Gedenken an seinen Bruder erstmals als Namensgeber eines internationalen Augsburger Meisterturniers zu fungieren, „befeuert“. Übrigens verwies die damalige Oberrealschule (heute Holbein-Gymnasium) das Gymnasium bei St.Stephan 1963 auf Platz zwei, während die Stephaner im Folgejahr, als der im März 2011 verstorbene Werner Ruisinger bereits sein Abitur abgelegt hatte und nicht mehr startberechtigt war, den Spieß umdrehen konnten.
Glücklicherweise hat Franz Ruisinger Pitl den Titelverlust nicht nachgetragen …
Text: J. Pitl, Bilder: G.Olms