Kann der Arbeitgeber die einmal ausgesprochene Kündigung zurücknehmen? Ein häufiges arbeitsrechtliches Problem – erläutert Gabriele Eger-Graf, Fachanwältin für Familien- und Arbeitsrecht.
Nicht selten stellt sich für den Arbeitgeber im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht die Frage, ob es nicht günstiger für ihn ist, die bereits ausgesprochene Kündigung zurückzunehmen. Dies, weil sich vielleicht neue Erkenntnisse ergeben haben oder auch die Kündigung vielleicht nicht das richtige Instrumentarium war und die Beendigung des Rechtstreits durch Zahlung einer Abfindung viel zu teuer wäre.
Wie aber kommt der Arbeitgeber von einer einmal ausgesprochenen Kündigung wieder los?
Die Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die, wenn sie einmal dem Arbeitnehmer zugegangen ist, vom Arbeitgeber nicht mehr zurückgenommen werden kann. Eine schriftliche Rücknahme ist nur vor Zugang der Kündigung oder gleichzeitig mit dem Zugang möglich.
Dennoch erklären viele Arbeitgeber im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht: „Dann nehme ich die Kündigung einfach zurück, mein Arbeitnehmer soll doch morgen wieder zur Arbeit erscheinen.“ Für den Arbeitnehmern stellt sich sofort die Frage, ob dem Arbeitgeber dies möglich ist. Die Rücknahme einer Kündigung stellt ein Angebot des Arbeitgebers zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dar. Befinden sich die Parteien noch nicht im Kündigungsschutzprozess, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot annehmen, mit der Folge, dass eine Vereinbarung auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geschlossen wurde. Gleiches könnte gelten, wenn die Parteien sich bereits innerhalb eines Kündigungsschutzprozesses befinden und der Arbeitgeber im Prozess die Rücknahme erklärt. Willigt der Arbeitnehmer ein und nimmt er die Klage zurück, wird das Arbeitsverhältnis fortgesetzt.
Prozess trotz Rücknahme?
Wie ist der Fall jedoch zu beurteilen, wenn der Arbeitnehmer mit der Rücknahme nicht einverstanden ist, also das Angebot des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis fortsetzten zu wollen, nicht annimmt.
Der Arbeitnehmer steht hier vor dem Problem, ob ihm nicht dann das Rechtsschutzbedürfnis für die Fortsetzung des Prozesses fehlt. Er klagt auf Unwirksamkeit der Kündigung und Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und nimmt dann das Angebot des Arbeitgebers nicht an, obwohl er doch genau das bekommen würde, was er wollte. Vorschnell könnte man zu dem Schluss kommen, dass es einem Arbeitnehmer quasi gar nichts anderes übrig bleibt als das Angebot des Arbeitgebers anzunehmen. Betrachtet man allerdings § 9 Kündigungsschutzgesetzt, der dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gibt, trotz Unwirksamkeit der Kündigung das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung auflösen zu lassen oder § 12 Kündigungsschutzgesetz, welcher dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gibt, nach erfolgreichem Prozess selbst zu entscheiden, ob er zum bisherigen Arbeitgeber zurückkehrt oder ein inzwischen neu begründetes Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber fortsetzt, so ist dies in einem anderen Licht zu beurteilen. So hat dies auch das BAG gesehen und klar gestellt, dass der Arbeitnehmer auch nach Rücknahme der Kündigung durch den Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Fortsetzung des Prozesses hat.
Hier stellt sich die Frage, wie viel Zeit der Arbeitnehmer nach Rücknahme der Kündigung durch den Arbeitgeber hat, um den sogenannten Auflösungsantrag nach § 9 Kündigungsschutzgesetz zu stellen.
Keine Pflicht zur Eile
Vertritt man die Auffassung, der Arbeitnehmer müsse unverzüglich nach Rücknahme der Kündigung den Auflösungsantrag stellen, ansonsten sei das Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als angenommen anzusehen, so widerspricht dies dem Gesetzestext, nach dem der Antrag auf Auflösung bis zur letzten Verhandlung in der Berufungsinstanz gestellt werden kann. Der Arbeitnehmer kann also nicht verpflichtet sein, unverzüglich nach Rücknahme der Kündigung durch den Arbeitgeber den Auflösungsantrag zu stellen.
Zukunftsprognose seitens des Gerichts
Nicht selten wird neben dem Antrag, die Kündigung sei unwirksam noch der so genannte Weiterbeschäftigungsantrag gestellt. Hiermit lässt der Arbeitnehmer erkennen, dass es ihm nicht nur darum geht, die Unwirksamkeit der Kündigung festzustellen, sondern er auch das Arbeitsverhältnis fortsetzen will. Zwar steht dieser Antrag einem Auflösungsantrag nach erfolgter Kündigungsrücknahme nicht unbedingt entgegen, allerdings ist für den Auflösungsantrag entscheidend, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer nicht zuzumuten ist. Vom Gericht ist hier eine Zukunftsprognose unter Berücksichtigung aller Umstände bis zur Entscheidung über den Auflösungsantrag anzustellen.
Der häufig vorschnell gestellte Weiterbeschäftigungsantrag sollte vor diesem Hintergrund wohl überlegt sein. Die Tatsache, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmern anbietet, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, lässt in der Regel nicht den Schluss zu, dass dies dann für den Arbeitnehmer unzumutbar ist, mit der Folge, dass das Ziel des Ausscheidens gegen Zahlung einer Abfindung zu Nichte gemacht werden kann.