„… und das nicht nur zur Sommerszeit … (Zecken stechen auch mal im Winter)“: 1. Europäisches Symposium für zeckenübertragene Erkrankungen

„… und das nicht nur zur Sommerszeit … (Zecken stechen auch mal im Winter)“: 1. Europäisches Symposium für zeckenübertragene Erkrankungen


(Bergheim / Hochfeld) In ganz Deutschland läuft man nach einem Zeckenbiss Gefahr, an Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) oder / und Borreliose zu erkranken. Weil beide Krankheiten auf dem Vormarsch sind, haben Augsburger Ärzte den Zecken übertragenen Erkrankungen den Kampf angesagt und in diesem Jahr den Verein ZecTect e.V. gegründet. Betroffene, Interessierte und Fachleute informierte der Verein am 11. November auf dem „1. Europäischen Symposium für zeckenübertragene Erkrankungen“.Entgegen der landläufigen Meinung, dass Zecken nur von Frühjahr bis Herbst aktiv sind, kann man sich, wenn die Temperaturen mild sind, auch im Winter infizieren. Dies berichtete Dr. Carsten Nicolaus, niedergelassener Arzt in Bergheim und Vorsitzender des ZecTect e.V. auf der Pressekonferenz im Rahmen des Symposiums. So habe er zum Beispiel in seiner Praxis im Dezember den Fall eines Reiters gehabt, der akut an Borreliose erkrankt war. Bis Ende September diesen Jahres sind 25 Prozent mehr FSME-Fälle gemeldet worden als im gleichen Zeitraum des bisherigen Rekordjahrs 2005. „Die FSME ist dabei die bedeutendste durch Gliederfüßler übertragene Viruserkrankung in Zentraleuropa“, berichtete Dr. Sandra Eßbauer vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr. Normalerweise wird das Virus in einem Naturzyklus durch Zecken (Ixodes ricinus) und Kleinnager übertragen. Dringt der Mensch in diese Naturherde ein, so kann auch er sich infizieren. Neben dem klassischen Wandern führen vor allem Trendsportarten wie Jogging, Nordic Walking oder Mountain Biking, dazu, dass immer mehr Menschen die freie Natur bevölkern. Nach Angaben von Sandra Eßbauer wurden im Jahr 2005 und 2006 fast doppelt so viele Infektionen wie in den Jahren 2001-2004 gemeldet. Um das Infektionsrisiko abzuschätzen, wurden in verschiedenen Landkreisen Bayerns mehrere Hundert Zecken und Wildmäuse auf ihren Befall mit FSME-Viren untersucht. Dabei konnten bei Mäusen in allen untersuchten Gebieten Antikörper gegen den FSME-Erreger nachgewiesen werden, auch in Gebieten, aus denen keine Erkrankungen gemeldet wurden. „Dies bedeutet, dass das Virus dort im Naturherd gleichwohl vorhanden ist, aber der Mensch noch nicht in den Naturherd eingedrungen ist“, so Eßbauer. Klarere Daten schilderte Prof. Dr. Dr. Peter Kimmig von Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg für die Lyme Borrelliose. Bei Untersuchungen von Zecken auf Ausflugsplätzen in Stuttgart fanden sich Borreliose-Befallsraten zwischen 15 und 36 Prozent. Angesichts der ermittelten Transmissionsrate „ist damit in Hochendemiegebieten bei circa jedem 10. Zeckenstich mit einer Borrelien-Infektion zu rechnen“, so Kimmig. Um eine Borreliose-Infektion zu verhindern, empfiehlt sich das frühzeitige Entfernen der Zecke, da die Borrelien erst nach ca. 24 Stunden von der Zecke auf den Menschen übertreten. Zudem ist in frühen Stadien eine Therapie mit Antibiotika viel versprechend. Für die Frühsommer-Meningoenzephalitis dagegen gibt es keine Therapie, wohl aber die Möglichkeit der Prophylaxe durch eine Impfung. Diese ist in ganz Süddeutschland für alle exponierten Personen zu empfehlen, so Kimmig. Die Kosten für die Impfung werden in Bayern und Baden-Württemberg von den Krankenkassen übernommen.FSME und Borreliose sind in Deutschland die wichtigsten Krankheiten, die von Zecken übertragen werden. Weitere Erreger, die in anderen Teilen der Welt eine Vielzahl von Erkrankungen auslösen können, sind unter anderem Rickettsien, Ehrlichien, Babesien und Coltiviren, so Prof. Dr. Emil Reisinger von der Universität Rostock. Während bei uns noch vor allem die westliche Variante des FSME-Virus verbreitet ist, wird in Russland, Japan und Nordkorea die östliche Form übertragen, bei der die Rate an schweren Schädigungen und auch die Sterblichkeit höher ist. „Die FSME-Impfung schützt nach den zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Erkenntnissen vor beiden Erkrankungen“, erläuterte der Experte.Großen Teilen der Bevölkerung – Laien wie Ärzten – sind diese Risiken, die aus einem einfachen Zeckenstich entstehen können, nicht (ausreichend) bewusst. Um die Prävention von Erkrankungen, die auf Zeckenstiche zurückzuführen sind, zu verbessern und allgemeine Therapiestandards zu etablieren, haben drei engagierte Augsburger Ärzte – darunter der in Bergheim wohnende und praktizierende Dr. Carsten Nicolaus – im März dieses Jahres den Verein ZecTect e.V. ins Leben gerufen. Der Name ZecTect setzt sich zusammen aus den Wörtern „Zecke“ und „protect“ (engl. schützen). Die Schirmherrschaft über den Verein liegt bei der FDP- Bundestagsabgeordneten Miriam Gruß.