
Geschichten aus der Geschichte
Historische Betrachtungen von Heinz Münzenrieder
Im ganzen Deutschen Reich die Nummer 1
Historie: Vor 150 Jahren wurde der TSV Göggingen von 18 Turnbegeisterten gegründet. Große Förderer waren Zwirnereidirektor Wilhelm Butz und Hofrat Friedrich von Hessing.
Göggingen. Einen ganz großen Geburtstag gibt es beim TSV Göggingen zu feiern: 150 Vereinsjahre sind eine respektable Leistung! Am 23. Mai 1875 war es so weit. Der engagierte Gögginger Rot-Kreuzler Vinzens Luger sitzt im Kreise von 18 Turnbegeisterten im Gasthof „Roter Ochsen“ am unteren Klausenberg. Gemeinsam heben sie das Vereinchen aus der Taufe und die faszinierende Erfolgsgeschichte – die Göggingen in ganz Deutschland turnerisch bekannt machte – konnte beginnen. Einer, den dies alles nicht loslässt, ist Roderich Wimmer, Ehrenmitglied des Vereins und in den fünfziger und sechziger Jahren selbst turnerische Stütze der 1. Riege. Die Geschichte des Vereins ist von ihm im Zusammenwirken mit dem im Gögginger Geschichtskreis engagierten Kurt Neuhäuser beinahe minutiös aufgezeichnet und dokumentiert worden.
Dies alles ergänzt um viel historisches Bildmaterial. Und was wichtig ist: Der gesamte Fundus wurde dem Geschichtskreis zu treuen Händen übergeben – als nicht unwesentlicher Teil der reichen Geschichte Göggingens. Der kleine Turnverein – der übrigens erst nach 1945 als „Turn- und Sportverein“ firmiert – musste in seiner „Kinderzeit“ mit viel Gegenwind leben. Der Sport hatte damals keinen hohen gesellschaftlichen Stellenwert. Es waren vielfach Zugezogene, die meist in der 1863 hier beginnenden Nähfadenfabrik ihre Brötchen verdienten, die sich überwiegend im neuen Turnverein engagierten. Diese örtliche Integration kam später allen zugute. Geturnt wurde zunächst im Nebenzimmer des „Roten Ochsen“ am Klausenberg und später in der früheren „Kellerwirtschaft“ am jetzigen Römerweg. Schnell ging es dann aufwärts.
Anton Bezler war der Stern am deutschen Turnerhimmel. Schon 1892 steht die neue Turnhalle im Herzen Göggingens. Bedeutende Förderer waren Direktor Wilhelm Butz – der Chef der großen Nähfadenfabrik – und Hofrat Friedrich von Hessing, der Begründer der Orthopädischen Heilanstalt. Und der Verein entwickelte sich – so wie es Vinzens Luger in den Gründungsjahren sehnlichst erhoffte – „zur Zierde Göggingens“. Bald turnen die Gögginger im ganzen Reich vorneweg. Ludwig Nerlinger wird 1920 bayerischer Meister im Zehnkampf und am Reck, und er gehört von 1920 bis 1925 der Deutschland-Riege an. Dorthin berufen wurden auch Karl Mangold und Willi Münder sowie der 1925 aus Aalen zu den Göggingern gestoßene Anton Bezler, der sich zum Stern am deutschen Turnerhimmel hocharbeitete. Er konnte sich 1928 beim Deutschen Turnfest in Köln in der Königsdisziplin Zehnkampf sozusagen die Goldmedaille sichern. Und nicht nur dies: Kollege Karl Mangold wurde Dritter! Pech hatte Anton Bezler wegen etwas anderem: Er und Willi Münder waren bereits für die Olympischen Spiele 1932 in Los Angeles nominiert. Und die Fachwelt in Deutschland war sich einig: Anton Bezler ist Favorit für einen Medaillenrang! Doch die Teilnahme der deutschen Turn-Equipe scheiterte am nötigen „Kleingeld“, was in Göggingen große Bestürzung hervorrief.
Bekannt waren die Gögginger Meisterturner auch für ihren modischen Geschmack: Erstmals traten sie bei den Wettkämpfen mit weißen langen Hosen auf, was dann bald zum üblichen Standard wurde. Und auch anderweitig hatten die Gögginger ihre Nasen vorne: Von hier aus wurden dem Frauenturnen kräftige Impulse verliehen. Schon 1910 ist – trotz großer Vorbehalte überall – damit begonnen worden. Und der Lohn ist eine Deutsche Meisterschaft: 1940 wird Annemarie Höfle in Leipzig die Nr. 1 in der Sportgymnastik!
Also: Danke TSVG und Glückwunsch zum schönen Jubiläum!