Anne Tschauner ist Hebamme aus Leidenschaft. Dafür muss sie einiges in Kauf nehmen.
Niedriger Stundenlohn, hohe Prämien in der Haftpflichtversicherung: Mehr und mehr selbstständige Hebammen fürchten, sich den Beruf bald nicht mehr leisten zu können. Zu ihnen gehört Anne Tschauner. Die Augsburgerin ist seit zwölf Jahren Hebamme aus Leidenschaft, hat rund 1000 Kinder auf die Welt geholt und ist seit einem Jahr in der Praxis „Fit dank Baby“ in der Augsburger Innenstadt aktiv. Unserer Zeitung hat sie jetzt einige Einblicke in ihre Arbeit gewährt.Stadtberger Bote: Die Tätigkeit als Hebamme gehört zu den eher seltenen Berufen. Wie sind Sie dazugekommen und könnten sie sich vorstellen, eines Tages, wenn sich die Situation weiter verschärft, etwas anderes zu machen?Ich bin familiär in den Beruf hineingerutscht. Mein Papa ist Mediziner, meine Mama ist in einer Praxis tätig, meine Cousine ist Hebamme. Ich möchte nichts anderes machen, aber es kann natürlich sein, dass ich es irgendwann muss, wenn sich die Situation weiter verschärft.Stadtberger Bote: Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?Ich habe ziemlich viel zu tun, arbeite etwa 50-60 Stunden in der Woche. Der Beruf beschränkt sich nicht allein auf die Geburtshilfe. Geburtsvorbereitung und – nachsorge machen einen großen Teil aus. Dazu gehören etwa Akupunkturtermine, Ernährungsberatung für Mutter und Kind, Fitnesskurse, die Überwachung der Kinder manchmal bis zum ersten Lebensjahr und vieles mehr. Man arbeitet außerdem in der Praxis eines Gynäkologen oder in der Klinik mit und man betreut natürlich individuell zu hause. Ich muss zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichbar sein, wodurch das Privatleben ziemlich eingeschränkt ist. Urlaube wollen daher sehr gut geplant sein. Man braucht zudem ein Netzwerk an Hebammen, um die Betreuung durchgehend zu gewährleisten.Stadtberger Bote: Was macht den besonderen Reiz dieses Berufes aus?Der Kontakt zu den Frauen ist wunderschön, sie zu begleiten, ihnen Hilfestellung zu geben. Ich helfe ihnen, ihren eigenen Weg zu gehen. Denn jede Frau und jedes Kind ist anders. Geburtshilfe ist immer spannend. Auch ich weiß nicht immer ganz genau, wann es los geht, und bin immer wieder überrascht.Südanzeiger: Was sind für Sie die größten Herausforderungen, denen sie sich stellen müssen?Ich muss richtig gut sein in meinem Beruf und sehr viel leisten, damit die Frauen zufrieden sind und mich weiter empfehlen. Zwei oder drei Tage für meine Patientinnen nicht erreichbar zu sein, geht gar nicht. Das Telefon muss immer dabei sein und ich muss innerhalb einer halben Stunde zurückrufen. Außerdem sind die Rahmenbedingungen hart. Ich fahre viel mit dem Auto, der Sprit ist teuer. Mit einem Stundenlohn von etwa 7,50 Euro und den hohen Versicherungsprämien ist es nicht einfach, von dem Beruf zu leben, schon gar nicht als Teilzeitkraft. Deshalb tue ich mir auch so schwer jemanden zu finden, der mir bei der Geburtshilfe zur Seite steht, damit ich mich etwas mehr meiner Familie widmen kann. Ich würde mir wünschen, dass sich die Politik der Sache der Hebammen endlich annimmt. Kommunen könnten beispielsweise die Kosten für die Berufshaftpflicht übernehmen und so die Hebammen unterstützen.Südanzeiger: An welche Geburten erinnert man sich besonders gerne? Welche Erlebnisse rund um die Geburt waren für Sie besonders aufregend?Schöne Geburten sind oft jene, bei denen ich die Patientinnen sehr lange begleitet habe. Da hat sich dann ein tolles Vertrauensverhältnis entwickelt. Es gibt allerhand nette Momente, bei denen man im Nachhinein viel zu lachen hat. Ich erinnere mich an ein Paar, das die Geburt in der Klinik ganz alleine bewerkstelligt hat. Es ging einfach zu flott. Der Mann war die Ruhe in Person, meinte nur zu seiner Frau, sie solle sich einfach trauen. Dieser Mann war die beste Hebamme überhaupt. Ich hab auch schon im Schlafanzug in der Klinik an der Pforte bei der Geburt geholfen. Manchmal dauert es eine Stunde, manchmal zwölf. Das macht es so spannend.Südanzeiger: Wie muss aus Ihrer Sicht eine zeitgemäße Geburtshilfe aussehen und welche Rahmenbedingungen müssen gegeben sein?Ich denke es ist sehr wichtig, dass man die Frauen individuell betreut, ihnen Mut macht auf eine normale Entbindung und dass man ihnen Zeit lässt,. Man sollte den Frauen wieder mehr Selbstvertrauen geben. Der Sicherheitsaspekt ist stark in den Vordergrund gerückt.Südanzeiger: Was sagen Sie Menschen, die den Beruf unterschätzen, die meinen, eine Hebamme werde heutzutage kaum noch benötigt?Das Schöne ist, dass die Gynäkologen bei einer Geburt die Pflicht haben, eine Hebamme hinzu zu rufen. Mein Beruf ist also noch sehr gefragt. Außerdem ist der Hilfebedarf der Mütter besonders nach der Geburt häufig sehr groß. Ein Gynäkologe jedoch kommt nicht nach Hause und hilft etwa beim Stillen. Die Erreichbarkeit macht den Unterschied aus. Die Hebamme bietet eine ganzheitliche Betreuung über die ganze Schwangerschaft hinweg bis hin zum ersten Lebensjahr des Kindes… Zum Glück ergänzen sich Hebamme und Frau-enarzt und können gemeinschaftlich die Frauen perfekt betreuen. Beide Seiten werden gebraucht!Mehr zur Situation der Hebammen unter www.hebammenverband.de