„Ja Buaba, dös ka ma fei it so lossa!“ Kindheitsgeschichten aus der Nachkriegszeit in Stadtbergen (1945-1955) 33. Am „Schlogse“ (Schlaugraben)

„Ja Buaba, dös ka ma fei it so lossa!“ Kindheitsgeschichten aus der Nachkriegszeit in Stadtbergen (1945-1955) 33. Am “Schlogse“ (Schlaugraben)


In den letzten Häusern der Schubertstraße, gleich nach dem ehemaligen HJ-Heim, unserem damaligen Schulhaus wohnten meine zwei Schulfreunde Egon und Gerhard. Egon ließ seinen Namen lieber rückwärts, also “Noge“ rufen, Gerhard trug den Spitznamen “Haktus“.Beide Freunde lebten in intakten Familien, ihre Väter waren heil aus dem Krieg zurückgekommen. “Noge“ hatte einen älteren Bruder, “Haktus“ war Einzelkind. Egon ließ mich immer wieder erfahren, wie schön es ist, einen Vater zu haben. Er nannte seinen Papa liebevoll “Hutu“ und begrüßte ihn immer sehr herzlich, wenn er abends von der Arbeit kam. Da spürte ich ganz deutlich, dass mir der Krieg durch den Tod meines Vaters etwas ganz Wertvolles genommen hatte….Neben den beiden kleinen Einfamilienhäusern meiner Freunde stand in der Nähe des Schlaugrabens noch eine Baracke. Das war die Werkstatt von Schreinermeister Köhler, der hier mit seinem Lehrjungen arbeitete. Der Schlaugraben zog uns zu allen Jahreszeiten magisch an. War nur ein Rinnsal drinnen, stauten wir es mit Steinen und Lehm auf, um unsere Rindenboote auf dem entstandenen Stausee schwimmen zu lassen.War der “Schlogse“ ausgetrocknet, diente er uns als gutes Versteck. Unter der Brücke am Ende der Beethovenstraße zogen wir uns zu ersten Rauchversuchen zurück. Die “Großen“ hatten uns berichtet, dass vor allem getrocknete Huflattichblätter zum Rauchen geeignet seien. Wir testeten diese bis zum Erbrechen.Köhlers Schreinerlehrling diente der trockene Schlaugraben zu anderen Zwecken als Versteck: Offenbar gab es in der Schreinerei keine Toilette. Also verrichtete der arme Kerl seine Notdurft im Schlaugraben und deckte diese mit Sägmehl zu. Unser Spottvers lautete daher für ihn: „S’ Schreinerle von Welda hot d’Arsch voll Spälda!“ Der Lehrling war zwar nicht aus Welden, aber für einen guten Reim wurde die Wahrheit einfach gebeugt. Stieg im “Schlogse“ das Wasser nach kräftigen Regenfällen an, erwachte unser Sportgeist. Im Wettkampf hüpften wir über den Graben. Verlierer war, wer ins Wasser fiel. Das war äußerst unangenehm und wurde daheim mit Hausarrest geahndet. „Du hast das Haus sauber verlassen und kommst wie ein Schwein heim. Das Dreckszeug kannst du selber auswaschen!“ schimpfte Tante Rosa. Sie war ja für die Wäsche zuständig und litt wegen fehlender Waschmittel besonders unter dem Schmutz.Bei Hochwasser füllte sich der Graben randvoll mit gelbbraunen Fluten. An Spielen war vorerst nicht zu denken. Mit neugierigem Interesse beobachteten wir die Naturgewalten und staunten, was aus unserem “Schlogse“ geworden war: Ein wildreißender, brodelnder Bach, dessen Fluten über den Rand schwappten. Bei schönem Wetter konnte man auf den anliegenden Wiesen bolzen oder auf Hasen bzw. Rebhuhnjagd gehen. Wir waren dabei nie erfolgreich, aber spannend war es trotzdem. Als die Amerikaner begannen, ihre Golfplätze zwischen Stadtbergen und Leitershofen anzulegen, wurden alle Hecken und Büsche entfernt. Somit verschwand der Lebensraum der Tiere und damit unser “Jagdrevier“. Das Spielparadies wurde um eine Attraktion ärmer.(Weitere Geschichten von Winfried Hierdeis in den nächsten Ausgaben des Stadtberger Boten)