Die geheimnisvollen Steinkreuze in Inningen, Bobingen und anderswo von unserer Mitarbeiterin Daniela Ziegler
Stumme Zeugen mittelalterlicher Kriminalgeschichte(n)
Sie stehen im Landkreis Augsburg überwiegend am Straßenrand oder in der Nähe von Dorfkirchen – kleine, fast unscheinbare Steinkreuze, an denen viele achtlos vorüberziehen, ohne zu ahnen, welch bewegte Geschichte sie dokumentieren. Nur wer etwas besser informiert ist, weiß, dass es sich um so genannte Sühnekreuze handelt, die vielerorts noch bis weit ins 16. Jahrhundert hinein zur Abgeltung eines Totschlagdelikts vom Täter gesetzt werden mussten – eine vergleichsweise milde Strafe gemessen an der sonst üblichen Härte mittelalterlicher Rechtsprechung und an heutigen Gerichtsurteilen, bei denen der Übeltäter keinesfalls auf freiem Fuß bleibt.
Totschlag – einst Sache des Zivilrechts
Zu erklären ist dies nur aus der Tatsache, dass der Totschlag im Mittelalter noch als Privatangelegenheit betrachtet wurde, bei der eine außergerichtliche Einigung zwischen den Parteien in Form so genannter Sühneverträge gestattet war. Einer der Bestandteile solcher Verträge konnte das Setzen eines Sühnekreuzes sein.
Die Kreuze bleiben geheimnisvoll
Sieben dieser strafrechtsgeschichtlichen Flurdenkmäler sind im Landkreis Augsburg erhalten geblieben. Sie befinden sich am alten Weg von Wörleschwang nach Reutern, in der Nordostecke des alten Friedhofs in Hirblingen, am östlichen Ortsausgang von Kutzenhausen, an der Hochstraße in Bobingen, außen am Chor der Frauenkirche in Schwabmünchen, westlich der Pfarrkirche in Hiltenfingen und beim alten Feuerwehrhaus in Batzenhofen. Keines weist irgendein Merkmal auf, durch das man es zeitlich näher bestimmen oder gar einem konkreten Fall zuweisen könnte, obwohl an einigen dieser Standorte nachweislich Totschläge begangen wurden. Wundertätiges Steinmehl?An vielen der Steinkreuze, so auch im Falle des Schwabmünchner Kreuzes, sind kleine Vertiefungen zu erkennen. Historiker sind sich bislang nicht einig, wie sie zu interpretieren sind. Walter Pötzl, Professor i.R. an der katholischen Universität in Eichstätt und Kreisheimatpfleger, schließt sich in seinem Buch „Kreuze, Bildstöcke und Feldkapellen“ der Meinung an, dass die Vertiefungen durch das Abkratzen von Steinmehl entstanden sein dürften. Diesem Steinmehl sagte man in früheren Zeiten eine Heilwirkung nach, da man an die übernatürlichen Kräfte der Steinkreuze glaubte.
Die Kreuze von Inningen und Bobingen
Sagenumwoben ist auch das Bobinger Kreuz, das im Volksmund auch als das Pestkreuz bekannt ist. Es heißt: „Die Pest drang bis zu diesem Kreuz vor, das untere Dorf starb völlig aus.“ Außerdem gibt es eine Legende, nach der ein Mann einen Sack Getreide von Augsburg nach Schwabmünchen tragen wollte. In Inningen habe ihn eine Hexe auf die viel zu schwere Last angesprochen. Der Mann jedoch habe getönt, sie könne sich auf den Sack setzen und er trage sie noch obendrein. In Bobingen angekommen, habe ihm die Hexe das Leben genommen. Zur Erinnerung seien in Bobingen und Inningen gleiche Kreuze aufgestellt worden. Ob man dieser Geschichte nun Glauben schenken mag oder nicht: Die beiden Kreuze existieren tatsächlich, auch das in Inningen, das viele Jahre als verschollen galt und das Reinhold Lenski, Kulturamtsleiter der Stadt Bobingen, vor einigen Jahren auf einem Inninger Bauernhof wiederfand. Jetzt steht es an der Hauptstraße, die durch Inningen führt, und viele passieren es, ohne es groß zu beachten…