„Ja Buaba, dös ka ma fei it so lossa“ Kindheitsgeschichten aus der Nachkriegszeit in Stadtbergen (1945-1955) 20. Eiersalat

„Ja Buaba, dös ka ma fei it so lossa“ Kindheitsgeschichten aus der Nachkriegszeit in Stadtbergen (1945-1955) 20. Eiersalat.

20. Eiersalat

Mit unserem Hauptlehrer Stiegele viele Unterrichtsgänge, weil er uns die Heimat unbedingt näher bringen wollte.Wir besuchten den Dorfschmied, die Kirche, den Friedhof, das Wasserwerk und die Gärten.Anfang Mai kam der Tag des großen Schulausflugs. Wir wollten den LandkreisAugsburg erkunden. Deshalb fuhren wir mit dem Bus über Welden nach Thannhausen, Ziemetshausen und Schloss Seifriedsberg mit der Wallfahrts-kirche Vesperbild, von dort zurück nach Stadtbergen. Eine tolle Runde. Ich wurde vom Herrn Hauptlehrer zu seinem Taschenträger berufen, ein besonders ehrenvolles Amt, um das mich viele Mitschüler beneideten.Er wies mir diese Aufgabe wohl zu, weil ich mich auf unseren gemeinsamen Heimwegen schon genügend als Taschenschlepper bewährt hatte. Er war sich sicher, dass die Tasche bei mir in zuverlässigen Händen war. Das glaubte ich auch, bis alles anders kam.Bei einer kurzen Wanderung nahe Vesperbild brach plötzlich ein Gewitter los und der Regen prasselte mit Hagel gemischt auf uns hernieder. Niemand hatte einen Regenschutz dabei, alle sausten in den nahen Wald, um sich in Deckung zu bringen. Da fiel mir die Tasche ein. Sie konnte mich gegen den Hagel schützen. So legte ich sie mir als Regendach auf den Kopf und sprang meinen Mitschülern hinterher. Während alle vor Nässe trieften, hatte ich einen trockenen Kopf und war nicht so schlimm durchnässt.Zum ersten Mal hatte ich einen Nutzen aus dem Taschentransport ziehen konnen.Als sich nach ein paar Minuten das Gewitter verzogen hatte, verlangte Herr Stiegele nach seiner Tasche, um seine Brotzeit herauszunehmen. Aber was war das? In seiner Tasche war Eiersalat, gemischt mit Eierschalen und Butterbrot.Das nächste Gewitter brach aus, aber nur über mir. „Hierdeis, her zu mir! Was hast du mit meiner Tasche gemacht? Schau, meine schöne Brotzeit, so eine Sauerei!“ „Ich wusste doch nicht, dass sie Eier in der Tasche haben, Herr Hauptlehrer. Die Tasche war so leicht, da habe ich sie mir beim Gewitter als Regendach aufgesetzt!“ gab ich zu. „Hau ab, du Eierzertrümmerer!“ schrie er mich wütend an und schüttelte den unansehnlichen Inhalt aus seiner Tasche heraus. Dabei fielen auch seine Brote noch in den Dreck, aber das war ihm wohl Wurst. In der Wirtschaft von Vesperbild ließ er sich ein Vesperbrot machen, dick belegt mit Wurst und Gurken. Das verschlang er gierig beim Vesperbild und rollte böse mit den Augen, als ich an ihm in gehörigem Abstand vorschlich. Bei der Madonna von Vesperbild schwor ich mir, dem Herrn Hauptlehrer nie mehr die Tasche zu tragen. Das habe ich mit Marias Hilfe auch gehalten.(Weitere Geschichten von Winfried Hierdeis in den nächsten Ausgaben des Stadtberger Boten)